The Thin Silence im Test – Zwischen Hoffnung, Depression und Vergebung

von David Kolb-Zgaga 07.05.2018

The Thin Silence, entwickelt vom Studio Two PM, wirkt abschreckend. Es ist langsam, nutzt grafisch hoffnungslos veraltete Technik und das Gameplay ist etwas dünn. Ja sogar, wenn man mich nach dem reinen „Spielspaß“ fragt, muss ich eher zögerlich verneinen. Warum The Thin Silence trotz allem einen Blick wert ist, erfahrt ihr in meinem Test.

Wie geht eigentlich Story?

Skill-Spiele sind so alt, wie das Medium selbst. Bei Pong versuchten SpielerInnen auf der ganzen Welt verzweifelt ein Pixelquadrat im Spiel zu halten und im ersten Donkey Kong 1981 musste Zimmermann Mario (Klempner wurde er erst später) geschickt den anrollenden Fässern ausweichen. Die gesamte Spielerschafft musste sich diese Fähigkeiten erst einmal antrainieren. Bei The Thin Silence gibt es kaum bis gar keinen Skill, denn es ist ein sehr storybasiertes Spiel. Ich schreibe absichtlich „storybasiert“ und nicht „storylastig“ denn viele Zwischensequenzen oder gar Dialoge werdet ihr hier nicht finden. Ähnlich wie es auch bei den Skill-Games der Fall ist, müsst ihr bei The Thin Silence erst erlernen, auf welche Art der Indie-Titel seine Geschichte erzählt.

Abwesenheit

Das kann mitunter ganz schön mühsam sein, denn oftmals verlangt das Spiel das Gesehene zu verarbeiten und weiterzuspinnen. Es lässt dabei aber nicht nur gewisse erzählerische Lücken, manche Elemente der Story werden erst gar nicht angerissen. Ihr dürft euch daher keineswegs ein Inside erwarten, denn dieses Spiel ist deutlich weniger zugänglich und erzählungsärmer. Und so sitzt zu Spielbeginn eine kleine Pixelfigur in einer Höhle, dann ein Cut und derselbe Mann steht inmitten von Soldaten und einer aufgebrachten Meute mit Fackeln in den Händen. Es handelt sich dabei um Ezra Westmark, einen ehemaligen Regierungsminister, der von Selbstzweifeln geplagt wird. Warum das so ist, bleibt aber eher schleierhaft.

Ein bisschen rätseln

Als SpielerIn hilft man Ezra dabei aus den örtlichen Tiefen zu neuen Höhen zu finden. Passenderweise startet das Spiel in einer kargen, finsteren Höhle, wo der Ex-Minister seine ersten Items, in Form eines Hakens und Schuhen erhält. In einem rudimentären Craftingsystem ist es möglich, bis zu drei Gegenstände zusammenzuführen. So wird aus dem Haken und den Schuhen ein praktischer Kletterschuh. Mit dem Haken und einem Seil kann Ezra dann sogar weit entfernte Gegenstände an sich ran ziehen. Das Gameplay ist sehr geradlinig, es reiht sich ein Plattform-Rätsel ans nächste.

Kein Spaß

Es gibt zwar über 30 Gegenstände, aber meist ist ziemlich eindeutig, welches gerade benötigt wird. In meinen Augen ist es daher nur wenig spaßig und auch oftmals nicht sonderlich befriedigend. Ein Punkt ist mir zudem noch sehr wichtig, was das Gameplay anbelangt. Es gibt Spiele wie This War of Mine oder Papers, Please, die eine ganz eigene Agenda verfolgen. Diese sollen keinen Spaß machen, sondern vermitteln, dass man sich gerade in einer nervenaufreibenden oder erschreckenden Situation befindet. So ähnlich verhält sich auch The Thin Silence und vieles ist mühsam. Ezra ist dabei aber auch noch so unfassbar langsam, dass jedes Rätsel sehr lange dauert. Aus spielmechanischer Sicht hat mich dieses Schneckentempo genervt und teilweise sogar wütend gemacht. Es ist schlicht und einfach unglaublich anstrengend und macht keinen Spaß.

Der Charakter ist aber so langsam, dass sich die EntwicklerInnen mit Sicherheit dabei etwas gedacht haben. Nach ein wenig Selbstreflexion erkenne ich an, dass dies die Außenperspektive auf einen depressiven Menschen widerspiegelt. Kleine Arbeiten werden zu mühevollen Tätigkeiten und es ist eben nicht mit einem Fingerschnipsen möglich wieder besser drauf zu sein, bzw. sogar glücklich zu werden.

Zwei Seelen wohnen ach, in Ezras (und meiner) Brust

Selten war ich so im Zwist mit mir selbst, wie ich ein Spiel bewerten werde. Rein objektiv kann ich The Thin Silence niemandem mit gutem Gewissen weiterempfehlen. Es ist sperrig, es ist langsam und das Gameplay ist seicht. In seinen starken Momenten schafft es das Spiel aber eine interessante Geschichte über Verwirrtheit und Depression zu erzählen und wie diese mit Selbstakzeptanz vielleicht zu besiegen ist. Aber auch die Geschichte ist immer wieder spärlich und nur angedeutet und obwohl ich z.B. ein Inside sehr dafür schätze, ist es mir bei The Thin Silence dann doch oft zu karg gestaltet.

Wenn ich aber dann eine Seite aus dem humanistischen Manifest lese, die in der Spielwelt überall verstreut liegen, weiß ich wieder, wofür ich dieses Spiel schätze. Es regt mich zum Denken an. Es spielt mit meinen Erwartungen und zeigt mir eine alleinstehende Welt. Während des Spielens hat mir der Titel wenig bis gar keinen Spaß gemacht (und deshalb gibt es auch keine Spielspaßwertung). Ich musste mich sogar teilweise durchquälen. Im Nachhinein sehe ich aber mit welchen Mitteln mir die EntwicklerInnen versucht haben zu zeigen, wie alleine und isoliert ich bin. Die großen, verlassenen Panoramen in denen es kaum etwas gibt, haben nicht nur die Erwartungen von Ezra zerstört, sondern auch meine eigenen. The Thin Silence bietet mir daher eine interessante Erfahrung, nicht unbedingt während des Spielens, aber danach.