The Wolf Among Us Episode 2: Smoke and Mirrors im Test

von David Kolb-Zgaga 07.02.2014

Nach fast vier langen Monaten erscheint nun endlich die zweite Episode von Telltale Games Graphic Novel The Wolf Among Us. Wie sich die zweite Episode Smoke and Mirrors spielt und ob sich das Warten gelohnt hat, erfahrt ihr hier im Review.

Was bisher geschah …

Achtung, Spoiler aus Episode 1: The Wolf Among Us spielt im Universum von Bill Willinghams Comicbuchserie Fables. Dort leben viele Märchenfiguren (wie z. B. Die Schöne und das Biest oder Allerleirauh) im gegenwärtigen New York und verstecken sich vor den Menschen. Durch eine Verzauberung, Glamour genannt, können die Fabelwesen die Gestalt von Menschen annehmen. Der Protagonist von The Wolf Among Us ist aber kein Vorzeigeprinz: Wie der Name schon sagt, spielt man den großen, bösen Wolf alias Bigby Wolf. So böse und naja … groß ist Bigby aber gar nicht (zumindest meistens). Er arbeitet als Sheriff in Fabletown mit Snow White (Schneewittchen) und sorgt unter den Märchenfiguren für Recht und Ordnung. Dabei ist die Stimmung in The Wolf Among Us  sehr düster und bedrückend, man kommt sich vor wie in einem Film noir – doch dazu später mehr.

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Gerade hat Bigby Allerleirauh (Faith) noch vor dem brutalen Woodsman (dem Jäger aus Rotkäppchen) gerettet, schon findet er sie wieder, den Kopf vom Körper abgetrennt, ermordet auf dem Straßenpflaster liegen. Snow White und Bigby ermitteln daher fleißig, um den bzw. die MörderIn zu schnappen. Als mögliche TäterInnen lernt man viele zwielichtige Personen wie Tweedle Dee, Tweedle Dum, Bluebeard (König Blaubart), den gerade erwähnten Woodsman sowie Prinz Lawrence (aus Allerleirauh) kennen. Da man Telltale-typisch fünf sehr große Entscheidungen im Spiel zu treffen hat, an denen sich zumeist die Storystränge splitten, ist es schwer, die gesamte Geschichte nachzuerzählen. Daher nur eines dazu (und jetzt kommt der fette Spoiler): Die Folge endet damit, dass auch Snow White mit abgetrenntem Kopf aufgefunden wird!

Typisch Cliffhanger

Hinweis: Nachdem The Wolf Among Us ein so storygetriebenes Spiel ist, wird im Weiteren die Story ohne Spoiler umrissen.

Die erste Episode Faith verwendete (wie in „Was bisher geschah“ beschrieben) einen so hart gesetzten Cliffhanger, dass sich sogar Vince Gilligan (Drehbuchautor von Breaking Bad) schämen würde. Dadurch wurde die elendslange Wartezeit auf Episode 2 nur noch schlimmer. So ist es traurig, dass der Cliffhanger schon in der ersten halben Stunde aufgelöst wird und ein wenig Unzufriedenheit mitschwingt, da man sich als SpielerIn ein bisschen hintergangen fühlt. Wirklich lange Zeit, das Geschehene zu hinterfragen, hat man aber nicht, da die Story wieder sehr schnell Fahrt aufnimmt – dann kommen Geschichten liebende SpielerInnen wie ich voll auf ihre Kosten. Die Dialoge mit den Fabletown-BewohnerInnen sind fantastisch geschrieben und inszeniert, und fast jeder Charakter ist tiefgründig und gelungen. Die schwierigen Entscheidungen, die mich das Spiel treffen lässt, sind meist herrlich knifflig und verzwickt, auch wenn die Schwere der Entscheidungen gegenüber der ersten Episode nachgelassen hat. Trotzdem bringt mich auch Episode 2, schon drei Sekunden nachdem ich eine Entscheidung (unter Zeitdruck) gefällt habe, dazu mich zu verfluchen und doch gleichzeitig zu beglückwünschen. Es gibt eben keine „richtigen“ Antworten, es gibt keine Schwarz-Weiß-Antworten und kein reines Gut und Böse. Meist muss zwischen Cholera und Pest entschieden werden, und genau das macht die Graphic Novels von Telltale Games so aufregend und emotional packend. Auch wenn gewisse Entscheidungen auf das gleiche Ergebnis hinauslaufen, kaschieren die AutorInnen dies meist gut, wodurch man das Gefühl bekommt, dass jede Antwort, die man gibt, und jede Aktion, die durchgeführt wird, ihre Konsequenzen hat – selbst wenn das nicht immer der Fall ist.

Düstere Märchenstadt

Nicht nur verfügt The Wolf Among Us über grandiose geschriebene Dialoge und Charaktere, es ist dabei auch noch unglaublich atmosphärisch. Jeder Märchencharakter hat – von Drogensucht über Gewalt bis hin zur Prostitution – eigene Probleme. Dazu passend spielt The Wolf Among Us in den gegenwärtigen Armenvierteln von New York. Dabei benutzt das Spiel wie in einem Film noir sehr viele dunkle Farben. Zusätzlich sind die meisten Möbel und Gegenstände, die im Spiel vorkommen, sehr heruntergekommen und schmutzig. Oftmals wird allein durch die Umgebung die Trostlosigkeit dieser Orte vermittelt. Das bricht sich herrlich mit der Erwartungshaltung, die man bei typischen Kindermärchen hat (siehe Disney-Nacherzählungen). Die schönen Märchengeschichten sind vorbei, es herrscht Brutalität und Armut an jeder Ecke. Telltale Games übertrifft sich dabei, dies konsequent umzusetzen. Zu der düsteren Atmosphäre kommt, dass es sehr viel Spaß macht, mit Bigby den Fällen nachzugehen, Beweise zu sammeln und damit die potenziellen TäterInnen (rhetorisch und manchmal auch körperlich) in die Ecke zu drängen. Durch die richtigen Antworten und das Aufzeigen von Beweisen beginnen sogar die verschwiegensten Charaktere, ihre Geheimnisse und die anderer preiszugeben.

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Die Schattenseiten der Episoden

Episode 2 Smoke and Mirrors macht sehr viel richtig und deshalb auch sehr viel Spaß. Trotzdem war ich ein wenig enttäuscht, als bereits nach eineinhalb Stunden der Abspann über den Bildschirm lief. Ich habe zwar schon öfter erklärt, dass ich das Episodenmodell von Telltale Games schätze, da man, wenn vier Wochen Zeit zwischen den Episoden sind, alles noch einmal reflektieren und mit anderen SpielerInnen darüber diskutieren kann, wie es wohl weitergehen wird. Dieser Effekt ist sonst nur bei Fernsehserien gegeben, und ich finde es grundsätzlich interessant, ihn auch bei Videospielen einzusetzen (wenn auch nicht bei jedem Spiel). Wenn ich aber fast vier Monate auf die nächste Episode warten muss, die erste Episode deshalb eigentlich nochmals spielen müsste und dann nur für gerade einmal eineinhalb Stunden spielen kann, dann hat dieses Konzept einen wirklich sehr bitteren Beigeschmack. Aus diesem Grund fließt dieses Manko auch in die Wertung ein, obwohl es objektiv gesehen mit dem grundsätzlich qualitativ hochwertigen Spiel nichts zu tun hat. Trotzdem wird mir und euch damit der Reiz an der Sache und damit auch etwas Spielspaß genommen.

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Fazit

Auch wenn Episode 2 Smoke and Mirrors zu spät veröffentlicht wurde und sie zu kurz geraten ist, gelingt es dem Spiel dennoch, mich betroffen zu machen und emotional zu berühren, wie es kaum anderen Spielen gelingt. Allein aus diesem Grund sollte man der Serie von The Wolf Among Us eine Chance geben. Ich freue mich weiterhin sehr auf die nächste Episode – wenn sie dann auch tatsächlich rechtzeitig erscheint.

Hinweis: Wer mehr Eindrücke von The Wolf Among Us erhalten möchte, kann sich hier unser Let’s Play zur Episode 1 ansehen!

Wertung: 8 Pixel

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