Ungewöhnliches Ballett: Bound im Test

von Mandi 20.08.2016

Die Santa Monica Studios, verantwortlich für Titel wie Journey oder flower, sind zurück. Dieses Mal wird sich einem eleganten Sport gewidmet: Ballett. Wie das zu einem Plattformer-Game passt und sich mit Psychologie verträgt, lest ihr hier in diesem Review!

Quelle: store.playstation.com

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Die Story hinter Bound

Gleich vorweg: Bound hat gleich zwei offizielle Websites erhalten. Eine direkt von den Santa Monica Studios, und die andere findet ihr auf dieser Adresse.

Die Protagonistin des Spiels mag zunächst gar nicht für diese Art von Spiel geeignet sein. Eine hochschwangere Dame stapft über einen Strand, bewaffnet mit einem Notizblock. Erst nach und nach kommt ihr drauf, dass dieses Notizbüchlein eigentlich eure Kapitelauswahl ist. Mit markigen Illustrationen, durch die ihr euch blättern könnt, werden eure Levels angezeigt. (Darauf muss man erst mal kommen.)

Jede Seite steht für ein anderes Problem, das die Dame hat. Ohne zu viel zu verraten: Da dürfte wohl einiges in der Familie passiert sein. Die Eltern werden manchmal als liebende Menschen dargestellt, ein anderes Mal als strenge Oberhäupter. Dabei verwendet auch Bound so wie die anderen Santa Monica Studios-Spiele kaum Wörter. Nur zwischendrin im Gameplay wird die Handlung durch kurze Untertitel verstärkt. Es gilt also, sich selbst den Problemen zu stellen und sie aufzulösen!

Eure Aufgabe: Tanzt

Bound wirft euch in eine surreale Welt, die aus Blöcken, kantigen Poolnudeln und fliegenden Teppichen besteht. Ungeachtet dessen, was rundherum vor sich geht, müsst ihr einfach von A nach B gelangen. Dabei sind die einzelnen Levels sehr linear, ihr könnt euch quasi nicht verlaufen. Nur gegen Ende des Spiels werden die Kameras so gemein, dass ihr auch schon mal in Halbautomatik zurück zum Levelbeginn lauft.

Keine Sorge: Die vormals schwangere Dame verwandelt sich in den Stages in eine Balletttänzerin. Ob dies nun ihr früheres Selbst ist, sie sich selbst nur so sieht oder das eine komplette Fantasiegestalt ist, wird nicht näher erläutert. Fakt ist: Eure leichtfüßige Protagonistin hat so einiges drauf. Mit der L2-Taste spurtet ihr, mit X könnt ihr springen, mit der Viereck-Taste schlägt ihr ein Rad und mit Kreis macht ihr eine Rolle. Haltet ihr R2 gedrückt, beginnt eine Performance, die aus dem Lehrbuch von rhythmischem Ballett entsprungen sein könnte.

Während SpielerInnen mit Sprüngen und Rollen noch etwas anfangen können, stellt sich die Frage, wozu man den Tanz benötigt. Die Fallen und “Gegner” im Spiel sind nämlich nicht tödliche Netze und Fangarme, die euch festhalten und bremsen. Da sich eure Heldin aber nicht aufhalten lässt, tanzt sie sich einfach durch die Hindernisse. Im Vergleich zum simplen Rennen ist diese Art der Fortbewegung natürlich langsamer, aber ungleich eleganter und famoser.

Quelle: blog.us.playstation.com

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Viel Raum zur Interpretation

Da das Spiel so herrlich wenig erklärt, bleibt ganz wie in Journey und Konsorten die Interpretation bei euch liegen. Bound präsentiert euch bloß die Rahmenbedingungen, und das Ende klärt nur ein bisschen auf. Es wird aber nahegelegt, dass die schwangere Dame sich selbst kasteite und ins Ballett flüchtete. Um den Eltern zu entkommen und den Sorgen des Alltags zu entfliehen, begann die Frau einfach zu tanzen.

Ähnlich spielen sich auch die Hindernispassagen in Bound: Kleine Papierflieger à la Paperman (der sehenswerte Disney-Kurzfilm) prasseln auf euch ein, lange algenartige Arme halten euch fest. Man könnte annehmen, dass die Papierflieger stichelnde Worte von MitschülerInnen oder Kritik von anderen Ballett-TänzerInnen sind. Die Fangarme könnten NeiderInnen sein, die ihr den Erfolg nicht gönnen und sie quasi vom Erfolg zurückhalten möchten.

Spannend wird es auch in diversen Zwischensequenzen, wenn die Heldin mehr oder minder zusammenbricht und sich den Kopf hält. Das bleibt so lange der Fall, bis ihr die R2-Taste gedrückt haltet. Fortan tanzt euer Avatar sich frei und entfernt alles, was sie zurückhält. Papierflieger werden abgewehrt, Fesseln werden gelöst, vorher undurchdringbare Netze geben den Weg frei. Diese Art von Interpretation passt ideal zur psychologischen Komponente, die Bound so heimlich, still und leise suggeriert. Eigentlich eine schöne Message: Das Hobby ist immer da, egal, was rund um dich herum passiert. Weniger schön, wenn man sich dafür in fremde Welten flüchten muss.

Technisches

Bound überrascht durch seine Eigenartigkeit. Die Welten sind etwas, was man so noch nicht zuvor gesehen hat. Plattformen können sich drehen und in allen Dimensionen vorkommen, als hätte Dali höchstpersönlich die Stages entworfen. Ihr springt und lauft auf fremdartigen Plattformen herum, und solltet ihr einmal von einer Kante fallen, passiert nicht viel. Eure Heldin fällt tief auf Würfel, die herumtanzen, als wären sie auf unruhigem Wasser. Danach spielt ihr einfach weiter.

Die PS4 ist grafisch kaum gefordert, so kann sie zu jeder Zeit 60 Bilder pro Sekunde darstellen. Das sorgt für ein flüssiges Tanz-Erlebnis und macht beim Einstieg Laune. Die Tänzerin selbst ist wunderbar animiert und es ist eine Freude, ihr beim Spiel zuzusehen. Der Sound macht ebenfalls alles richtig: Minimalistische Klänge, die für Stimmung sorgen, wechseln sich mit Passagen, die den Spielfluss anheizen, gelungen ab. Hier ist wirklich alles ein gutes Gesamtpaket, bis ihr zu spielen beginnt.

Die sich klasse bewegende Heldin hat keinerlei Probleme, über Abgründe zu springen. Ihr fallt aber öfter, als euch lieb ist, trotzdem runter, weil ihr dank der halbautomatischen Kamera die Abstände falsch schätzt. Je nachdem, ob ihr beim Sprung spurtet oder nicht, springt ihr weiter oder kürzer, was euch öfter das virtuelle Leben kosten kann. Ihr könnt die Ansicht mit dem rechten Stick zwar jederzeit anpassen, doch es müsste nicht nötig sein.

Darüber hinaus reißt es euch aus dem Spielgefühl, wenn ihr vorher Speedpassagen absolviert und danach durch eine Etage tanzt. Zwar ist der Tanz wahrlich hingebungsvoll und eine Augenweide, doch eure Heldin bewegt sich so langsam, dass es auffällt. Dieser Mechanismus wirkt teils schon richtig erzwungen, vor allem in der letzten Stage wechselt ihr öfter, als euch lieb ist, in den Tanzmodus. Ja, natürlich hatte auch Journey zum Schluss den Moment, wo alles zu träge werden beginnt – vielleicht ein Markenzeichen der EntwicklerInnen? Dafür habt ihr in Bound die Auswahl zwischen zwei Enden. Da, ich habe es gesagt!

Quelle: blog.us.playstation.com

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Fazit: Bound polarisiert

Nach maximal drei Stunden seid ihr mit dem Spiel fertig. Nach dem Durchspielen erwartet euch ein kompetitiver Time Attack-Modus, bei dem ihr Speedruns veranstalten und mit anderen SpielerInnen vergleichen dürft. Wenn ihr bis dato mit Titeln von den Santa Monica Studios nichts anfangen konntet, wird auch das Erlebnis mit Bound in die selbe Richtung gehen. Gleichfalls lässt sich der Schuh auch andersrum anziehen: Steht ihr auf atmosphärische und bildgewaltige Unterhaltung, ist dieses Spiel für euch!

Abseits der Kameraproblematik und der etwas bremsenden Tanzeinlagen macht das Game alles richtig. So wie in den anderen Ablegern gilt: Die Reise ist schön, aber länger dürfte sie tatsächlich nicht sein. Ihr werdet von Bound durchaus ermuntert, das Game ein zweites und vielleicht auch ein drittes Mal durchzuspielen. So ein Durchgang lässt sich an einem Abend auch leicht bewerkstelligen, es muss nur die Stimmung dazu passen. Der Titel ist für PS4 um grade mal 20 Euro erhältlich, und ich kann ihn nur empfehlen. Flüchten wir vor dem Alltag – entweder ins Wochenende oder zu Bound!

Wertung: 8 Pixel

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