Tony Hawk’s Pro Skater 1+2 im Test – Starkes Nostalgie Remake

von David Kolb-Zgaga 15.09.2020

Mit Tony Hawk’s Pro Skater 1+2 kehrt das wohl beliebteste Skate-Franchise zurück und brilliert mit griffigem Arcade-Gameplay und purer Nostalgie.

Die Kuh lebt

1999 betrat Tony Hawk die Videospielbühne zum ersten Mal und machte damit eine Trendsport weit außerhalb der Szene bekannt. Die ersten beiden Teile, die jetzt ein Remake erhalten, erfreuten sich überbordender Beliebtheit und verkauften sich sensationell gut. So gut, dass Activision die Cashcow ab da an begann richtig hart zu melken. Von 2001 bis 2004, also in gerade einmal drei Jahren erschienen die Teile zwei bis vier. Erste Abnutzungserscheinungen traten auf, aber die Halfpipe wurde mit Underground 1 und 2, American Wasteland, Project 8 und Proving Ground und Downhill Jam weiter befüllt. Wie, ihr kennt die Titel nach Underground gar nicht mehr? Ja, zu dieser Zeit war die Kuh bereits mehr als nur halb tot. Ein letztes Aufbäumen fand mit dem fünften Teil 2015 statt, der aber auch nur herausgebracht wurde, weil der Lizenzvertrag damals auslief. Interessanterweise wurden sogar die Teile eins und zwei bereits zweimal neu aufgelegt. Mit Tony Hawk’s Pro Skater 2X erschienen die Spiele auf der ersten Xbox, mit Tony Hawk’s Pro Skater HD auf PS3 und Xbox 360. Jetzt wird diese geschundene, veraltete Kuh erneut aufs Board gezerrt! Und wer hätte es gedacht, aber das alte Vieh gleitet mit einem 50-50 Nosegrind so erhaben und anmutig wie noch nie über die Rail.

Es beginnt mit Superman

Entwickler Vicarious Visions weiß eben welche Knöpfe es zu drücken hat. Schon in den ersten Sekunden sieht man ein Skate-Video, der alten Stars im Format 4:3, dass aussieht als würde es gerade von einer abgeranzten Videokasette abgespielt werden. Dann geht das Video über zu 16:9 HD und im Menü läuft das legendäre Superman von Goldfinger. Für Veteranen bereits der erste, aber bei weitem nicht der letzte Gänsehautmoment. Behutsam wurden die neun Kurse aus dem ersten und  die zehn Kurse aus dem zweiten Teil in die Neuzeit gehievt. Die Levels müsst ihr wie schon in den 2000er Jahren Stück für Stück freischalten. Außerdem gibt es da ja auch noch zwei geheime Parks – ich sage nur Skater Himmel! Die beiden Spiele, die jetzt Touren genannt werden, erhalten eine Art Überbau mit Auflevelsystem samt eigener Challenges und Boards wie Klamotten zum freispielen. Entweder erstellt ihr euren eigenen Skater oder ihr nutzt Pros wie Rodney Mullen, Chad Muska und natürlich Tony Hawk. Der Originalcast wurde um einige FahrerInnen erweitert und es gibt auch wieder geheime Charaktere zum Freispielen. Eure Skillpunkte werden euch für beide Spiele gut geschrieben.

Kick it

Da ich den zweiten Teil deutlich besser in meinem Gedächtnis habe, stürzte ich mich gleich in dessen Hangar, das erste Level. Eigentlich eine eher simple Stage, aber mit einer Halfpipe, einem versteckten Areal und vielen Möglichkeiten für Grindes. Es hat bei mir sofort wieder Klick gemacht, denn das Gameplay fühlt sich genau so gut wie vor 20 Jahren an, wenn nicht sogar besser. Das arcadige Trick-Kombo-System hat über die Jahre keine Spur an Charme verloren. Die Zugänglichkeit wurde mit einem Tutorial sogar noch erhöht und die Lernkurve ist hervorragend und motivierend. Auch als Anfänger gelingt es sehr schnell die ersten Grabs, Kickflips und Slides ganz easy aus dem Handgelenk zu schütteln. Für die ultimative Kombokette haben die EntwicklerInnen Reverts, Manuals (nur im zweiten Teil) und Wallplants hinzugefügt, was den Flow und die Möglichkeiten noch einmal deutlich erhöht. Mit jedem weiteren Trick, den ihr verkettet steigt der Punktezähler so in ungeahnte Höhen. Richtige Hardcore-Fans können aber auch nur die Originalmoves aus den ersten beiden Teilen auswählen.

Knack den Highscore

Die Steuerung wurde nur minimal angepasst, fühlt sich jetzt aber auch dank der 60 FPS noch griffiger und besser an. Schon nach der ersten Stunde habe ich dieses Gefühl des „nur noch einen Run für den nächsten Highscore“ in mir aufkommen gespürt. Das ganz große Highlight dieses Remakes ist das Coregameplay und die flüssigen und abgefahrenen Moves, die zu einer fetten Kombokette verknotet werden wollen. Bei jedem Run gibt es nur zwei Minuten Zeit, weshalb die Aufgaben auch richtig knackig ausfallen. Nicht nur Highscores gilt es zu schlagen, auch versteckte Videokasetten, die S-K-A-T-E Buchstaben oder sonstige sammelbare Dinge wollen in nur 120 Sekunden gefunden werden. Geübte SpielerInnen sollten alle Level-Herausforderungen in ca. acht Stunden oder weniger erledigt haben. Für EinsteigerInnen dürften das Levelfreischalten bei späteren Parks etwas frustig werden, da fast alle Aufgaben benötigt werden. Die Aktivitäten zeigen dann doch eher schnell Abnützungserscheinungen, weil sie sich meist sehr ähnlich sind. Das stört aber den Flow und das Basisspiel kaum, denn das bleibt auch nach Stunden nach wie vor spaßig.

Mehr als ein Grafikupdate

Die Grafik des Remakes kann ich trotz der einen oder anderen etwas kruden Stelle nur ausdrücklich loben. Die Lichtstimmung und auch der Level an Detailgrad sind vorbildlich und sehr stimmungsvoll. Wie damals sind die Parks auch heute noch sehr leer, aber so ist das eben, wenn man sich an eine Vorlage hält. In meinem Kopf war das immer ein bisschen so, als hätte man alle Menschen für meinen perfekten Run aus den Stages geholt. Ein kleiner Wermutstropfen sind die Objekte, wie Schulglocken oder herumliegende Obdachlose. Durch den höheren Detailgrad sind diese nun weniger sichtbar und dadurch auch wahrscheinlich unabsichtlich besser versteckt. Alles in allem sind die Parks aber sehr schön gestaltet und zwar eher klein (zwei Minuten Limit), aber dafür auch sehr, sehr abwechslungsreich. Egal ob Schulgelände, Flughangar, Central Park oder Venice Beach, alles sieht nach wie vor sehr kultig, aber durch das Remake eben auch modern aus. Das Spiel erstrahlt in einem noch nie zuvor da gewesenen Glanz. Schaut euch zum Vergleich mal das Original an.

Apropos kultig, was wäre ein Tony Hawk’s Pro Skater ohne seine Musik? Superman habe ich bereits genannt und bis auf drei Songs des Originals haben es alle Tracks auch ihren Weg ins Remake gefunden. Dazu gesellen sich 37 neue Lieder, die meiner Meinung nach hervorragend ausgewählt wurden und super zur restlichen Atmosphäre passen.

Splitscreen

Genügend zu tun gibt es durch die vielen Challenges, die pro FahrerIn unterschiedlich sind. Bei Tony Hawk liegt der Fokus natürlich eher auf der Halfpipe und selbstverständlich gilt es auch einen 900 zu stehen. Die dritte Tour lässt euch die Levels ohne Zeitbeschränkung fahren und so eure Statistiken online vergleichen. Im Tempolauf müsst ihr alle Aufgaben eines Levels so schnell wie möglich meistern. Das ist dann für die Profis unter euch und ist richtig knifflig. Mit dem Editor könnt ihr euch zudem eigene Skateparks bauen und dort dann auf Highscorejagden gehen. Um noch mehr Nostalgie zu verbreiten gibt es auch wieder einen Splitscreen, der zwar nur 30FPS bietet, aber wieder spaßige Gefechte um die höchste Punktzahl liefert.

Wie damals

Man kann darüber nicht streiten, dass ein zwei minütiger Countdown im Jahr 2020 keine Gameplayrevolution mehr hervorrufen wird. Das Zeitlimit befeuert aber die kleinen und abwechslungsreichen Parks und das herrliche Gefühl des „nur noch einmal, dann …“. Dieses Remake schafft es mich zu 100 Prozent in den Zustand von damals zu versetzen, weil trotz der Modernisierung der Spirit der Originale perfekt eingefangen wurde. Darum ist es auch das perfekte Remake. Das perfekte Spiel ist es allerdings nicht, denn heute wie damals gibt es immer noch Kritikpunkte wie z.B. zu wenig Abwechslung bei den Level-Herausforderungen. Ich bin aber sehr dankbar, dass ich 2020 diese Erfahrung noch einmal machen und durchleben konnte.

Wertung: 8.6 Pixel

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