Meine Enttäuschung der gamescom 2017: Kingdom Come Deliverance

von Marianne Kräuter 25.08.2017

Wer mich kennt, weiß: Ich bin nicht nur ein Rollenspielfan, der gebannt hunderte Stunden in Dragon Age, The Witcher und Co. verbracht hat, ich lasse mich auch stets liebend gerne für Mittelaltersettings begeistern. Darum freute ich mich auch riesig darauf, dieses Jahr Kingdom Come Deliverance auf der gamescom 2017 zu sehen. Bis ich den Controller dann beim Warhorse-Stand selbst in den Händen hielt, und sah, wie unfertig und problembehaftet die dort zur Schau gestellte Demo ist.

Gebrochene Versprechen

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als die ersten Videos zu Kingdom Come Deliverance im Netz auftauchten und das Spiel von der einschlägigen Presse aufgegriffen wurde. “Die realistischsten Wälder, die ihr je gesehen habt”, “endlich ungeschöntes Mittelalter ohne Fantasyeinschlag” oder “hier werden SpielerInnen nicht an der Hand genommen” lauteten einige der Schlüsselphrasen, wenn über dieses Spiel berichtet wurde (zum Beispiel hier).

Was mich bei diesen Ankündigungen vor einem oder vor zwei Jahren noch verzaubert hat, war einerseits das authentische europäische Mittelaltersetting und das Versprechen, dass SpielerInnen aufmerksam durch die Welt laufen müssen, um ihren Weg zu finden. Durch eine (wenn auch stilistisch passende) Gebietskarte im Menü, eine stets sichtbare Kompassleiste, wie man sie zum Beispiel von Skyrim kennt, auf der alle aktiven Questmarker aufscheinen und durch aufpoppende Beschreibungen, wenn man sich einer Person nähert, geht dieser Aspekt nun völlig verloren.

Ich muss keinen Wegbeschreibungen lauschen, sondern kann einfach stupide dem Questmarker hinterher laufen. Ich muss keine Leute am Wegesrand um Rat fragen, damit ich die richtige Person finde, schließlich sehe ich deren Bezeichnung automatisch, sobald ich mich ihnen nähere. Und wenn mir das alles nicht reicht, habe ich noch immer eine Gesamtkarte im Menü parat. Schade, denn so verliert der so stark um Realismus bemühte Schauplatz einiges an Immersion!

Eine technische Katastrophe

Ich sehe ein, dass die von mir oben bemängelnden Änderungen rein meinen persönlichen Vorlieben entsprechen, und dass sich wahrscheinlich viele über das Hinzufügen dieser Komfortfeatures freuen werden. Worüber jedoch wohl kaum jemand hinwegsehen kann, sind die großen technischen Mängel, die Kingdom Come Deliverance noch immer, nicht mal ein Jahr vor dem geplanten Veröffentlichungstermin, aufweist.

In der angespielten Demoversion wirkten sämtliche Animationen hölzern und steif, die Augen der Charaktere starr und leblos. Unser Hauptcharakter macht sich nicht mal die Mühe, den Blick zu senken, wenn er mit kleineren Personen spricht, sondern blickt weiter stur gerade aus ins Nichts. Auch dass die Haut von Charakteren durch deren Kleidung glitcht oder sich deren Gewand unnatürlich stark mit ihren Gesten mitbewegt, kam bedauerlich häufig vor.

Dazu kommen hässliche Popups, auch in Bereichen, in denen sich nur vereinzelt animationsaufwändige Elemente wie NPCs befinden. Das grafische Niveau wirkte darüber hinaus äußerst inkonsistent: Während die sich die Vegitation nach häutigen Maßstäben durchaus sehen lassen kann, sind andere Texturen verwaschen und längst nicht mehr zeitgemäß. Am erschreckensten jedoch war die inkonsistente Physik, die den Hauptcharakter in Dialogen plötzlich zehn Zentimeter in die Luft beförderte und dort eine Zeit lang schweben ließ.

Ich würde euch all das liebend gerne anhand eines Videos oder mit Fotos belegen, doch es war uns strikt verboten, auch nur eine Ecke des Bildschirms zu fotografieren.

kingdom come deliverance

Und jetzt?

Ich hoffe wirklich, dass Warhorse Studios es bis zum Releasetermin schaffen, sich den technischen Problemen ihres Spiels anzunehmen, und dass Kingdom Come Deliverance in annehmbaren Zustand erscheint, denn das realistische Setting und die Geschichte, die sie darin erzählen wollen, haben mich mehr als neugierig gemacht. Doch im Moment muss ich schweren Herzens sagen, dass mir das mehr als unrealistisch erscheint.

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