JBL Sense Pro im Test: Offenheit für ein neues Hörerlebnis

von Max Hohenwarter 01.12.2025

In-Ears, die drücken? Over-Ears, unter denen man im Sommer schwitzt wie in einer Sauna? Die Audio-Welt sucht seit Jahren nach dem heiligen Gral zwischen „fettem Sound“ und „ich bekomme noch mit, wenn mich die Bim gleich zu überfahren droht“. Ich habe mir die neuen Premium Open-Ears JBL Sense Pro für euch in die Ohren – pardon, an die Gehörgänge – geklemmt und berichte von meinen Erfahrungen.

Mit offenen Ohren durch die Welt

Bevor wir ans Eingemachte gehen, kurz zur Theorie. Die JBL Sense Pro sind wie viele andere Open-Ears keine Knochenschall-Kopfhörer (diese vibrieren am Schläfen- und Schädelknochen und übertragen die Schallfrequenzen am Trommelfell vorbei so direkt ins Innenohr) sondern setzen auf Luftleitung. Das klingt jetzt erstmal kompliziert, aber ihr habt das Prinzip mit Sicherheit schonmal im Alltag gesehen, bzw. sogar selbst zur Anwendung gebracht.

Folgende Situation: Ihr habt die Kopfhörer in den Öffis nicht dabei, aber ihr wollt unbedingt die Sprachi eures G’spusis anhören, ohne dass der ganze Wagon den neuesten Gossip aus eurem Privatleben mithört – die Lösung: ihr stellt den Lautsprecher des Handys auf minimalste Lautstärke und haltet euch diesen direkt an den Gehöreingang.

Und ähnlich funktioniert das bei luftleitenden Open-Ear-Kopfhörern, wie den JBL Sense Pro: ihr habt zwei winzige, sehr präzise Lautsprecher, die direkt über eurem Gehörgang schweben, ohne ihn zu verstopfen.

Der Vorteil liegt auf der Hand: Ihr seid nicht von der Außenwelt abgeschottet. Beim Joggen auf der Hauptallee hört ihr den:die Radfahrer:in, der:die euch von hinten anklingelt, im Büro bekommt ihr mit, wenn der:die Kolleg:in fragt, ob wer Kaffee will und im Straßenverkehr  seid ihr so auch um einiges Sicherer unterwegs.

JBL Sense Pro Test

Überrollbügel sind bei den JBL Sense Pro serienmäßig – Bild Copyright by BeyondPixels.at

Der Nachteil von diesem Formfaktor ist physikalisch bedingt: Bass verpufft gerne mal in der Luft, bevor er das Trommelfell erreicht. JBL steuert hier mit der sogenannten OpenSound-Technologie dagegen, die den Schall gezielt ins Ohr „beamt“ und gleichzeitig versucht, die Umgebung nicht zu sehr mit eurer Playlist zu nerven.

JBL Sense Pro Tragekomfort – oder: Montagezulage fällig

Kommen wir zum Elefanten im Raum – oder besser gesagt, zum Bügel am Ohr.

Ich bin ehrlich: Die ersten 48 Stunden mit den Sense Pro waren für mich schwierig. Das Konzept sieht vor, dass die Hörer mit einem verstellbaren Bügel hinter dem Ohr eingehängt werden. Anders als bei den weit und breit bekannten True-Wireless-Earbuds die ihr euch recht schnell in den Gehörgang plopt, muss man die JBL Sense Pro erst einmal „montieren“.

Am ersten Tag spürte ich nach etwa einer Stunde einen leichten Druck an der oberen Ohrmuschel. Es ist nicht direkt Schmerz, eher so ein „Da ist was, das da nicht hingehört“-Gefühl und das obwohl ich seit Jahrzehnten Brillenträger bin. Das liegt daran, dass das Gewicht (auch wenn die JBL Sense Pro mit ca. zwölf Gramm pro Seite nicht schwer sind) anders verteilt ist als bei In-Ears.

JBL Sense Pro Test

Das matte Finish der JBL Sense Pro Ladebox leidet unter Haustürschlüsseln in den Hosentaschen durchaus stark – Bild Copyright by BeyondPixels.at

Man muss erst den persönlichen Sweet Spot finden. Der Silikonbügel ist verstellbar und verspricht dank seines Memory-Drahtes im Inneren auch eine gewisse Robustheit und Langlebigkeit. Das Scharnier zwischen Lautsprecher und Bügel lässt sich zudem knapp 20 Grad neigen, aber bis man den perfekten Winkel für die eigene Ohrenform gefunden hat, fummelt man schon viel herum.

Apropos Fummeln: Beim Herumjustieren und Anpassen startet, pausiert und skippt man dabei dank Touchsensoren durchaus mal das gerade konsumierte Medium. Liebe Kopfhörer Industrie! Hört doch endlich mit dem Touch-Gedöns auf und gebt mir physische Tasten mit haptischem Feedback an so kleinen Kopfhörern. 

Kirschen auf den Ohren

Habt ihr als Kinder auch öfter mal Kirschenpaare über eure Ohren gehängt? Nun: dann könnt ihr euch schonmal wieder dieses Gefühl in Erinnerung rufen, denn so fühlt sich das die erste Zeit an, wenn ihr die JBL Sense Pro das erste mal über eure Lauscher legt.

 

Gebt den Dingern aber drei Tage – es lohnt sich. Sobald sich der Knorpel (oder das Gehirn?!) daran gewöhnt hat, passiert etwas Magisches: Man vergisst sie. Da nichts im Gehörgang steckt, gibt es keinen Hitzestau und keinen Druck im Ohrkanal. Ich habe die Teile fallweise vier Stunden am Stück getragen und musste erst tasten, ob sie noch da sind. Und ja: dabei habe ich natürlich wieder unbeabsichtigt meine Musik pausiert :-/

JBL Sense Pro Test

Die JBL Sense Pro Bügel sind zwar schlank, aber bei Brillenträger:innen wird der Platz damit langsam knapp – Bild Copyright by BeyondPixels.at

Für Brillenträger:innen wird es aber trotzdem etwas eng hinterm Ohr, auch wenn die Silikonhaken recht schlank sind. Aber Brille + Maske (ja: diese Dinger trage ich in der Grippesaison immer noch in den Öffis) + JBL Sense Pro = Gedränge oberhalb der Ohrmuschel. Das gilt es also definitiv zu bedenken, wenn ihr mit Open-Ears liebäugelt.

JBL Sense Pro im Soundcheck

Wie bereits anfangs erklärt, setzen viele Open-Ear Modelle auf Knochenleitung und klingen manchmal wie ein altes Küchenradio. Definierte Höhen oder kraftvolle Bässe sind meistens nicht zu erwarten. Die Luftleitung und die OpenSound-Technologie sind dabei stark im Vorteil. Die Sense Pro ballern dank der riesigen 16,2 mm Treiber ordentlich stabilen Sound inklusive teils recht sphärischen Bässen raus.

Je nach Wiedergabequalität der Quelle schaffen die JBL Sense Pro im Test sogar Hi-Res Audio Content in 24bit bei 192KHz dank LDAC Zertifizierung. Klar ist der Klanggenuss in keinstem Fall konkurrenzfähig zu Hi-End-Blootooth Kopfhörern wie dem Sony WH-1000XM6. A) sind wir hier in einer komplett unterschiedlichen preislichen Gewichtsklasse und B) einem ganz anderen Formfaktor, aber genau deshalb ist der Klang schon sehr gut und hat mich stark beeindruckt.

JBL Sense Pro Test

Dank medizinischem Silikon sind die JBL Sense Pro IP54 zertifiziert – Bild Copyright by BeyondPixels.at

Gemeindebau Blues

Die Verbindung der JBL Sense Pro ist dank Bluetooth 6.0 meistens stabil wie ein Fels. Allerdings verfallen die Open-Ears in meiner 60er Jahre Massivbauweise Gemeindebauwohnung in den gleichnamigen Blues. Denn durch zwei StahlbetonWände hindurch kämpft sich nichtmal Blauzahn der Sechste ohne Probleme.

JBL hat den Algorithmus zur Bassverstärkung überarbeitet. Es ist nicht dieser wummernde Druck, den man von In-Ears mit Silikonstöpseln kennt (Physik lässt sich nicht ganz austricksen), aber wie bereits vorher erwähnt spielen die Sense Pro die Bässe überraschend definiert und räumlich wahrnehmbar aus

Akkulaufzeit: Der Marathonläufer

JBL Sense Pro Test

Bis zu 38 Stunden Hörgenuss bieten die JBL Sense Pro je Akkuladung – Bild Copyright by BeyondPIxels.at

Die Akkulaufzeit beziffert JBL beim Ladecase mit 30 Stunden und bei den Ear-Hooks mit acht Stunden.

In meinem JBL Sense Pro Alltagstest kam ich bei gemischter Lautstärke und aktiviertem LDAC (was mehr Strom frisst) auf knapp sieben Stunden und ob die insgesamt kolportierten 38 Stunden erreicht werden, kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Ist ja auch irgendwie eine redundante, alltagsuntaugliche Zeitangabe, also mach ichs praktischer:
Mit einer kompletten Ladung hatte ich die Open-Ears etwa zwölf Tage in Gebrauch, wobei ich täglich auf eine Nutzung zwischen zwei und drei Stunden kam und viel damit telefonierte. Das ist ein Spitzenwert.

Das Ladecase der JBL Sense Pro ist zwar etwas klobiger als bei winzigen In-Ears (die Bügel brauchen halt Platz), aber es passt noch gut in die Hosentasche, also sofern die Modeindustrie eurem Gender überhaupt welche gönnt 😉 Ein nettes Feature für Vergessliche: Zehn Minuten Laden des Cases bringt euch bis zu vier Stunden Nutzungsdauer.

Home-Office tauglich?

Die vier Mikrofone und eine KI-Rauschunterdrückung sollen bei den JBL Sense Pro für klare Calls sorgen. Im stillen Raum funktioniert das exzellent. Meine Gesprächspartner:innen bestätigten mir eine Stimme, die „sehr natürlich und nah“ klingt, fast besser als bei vielen In-Ears. Das ist sicherlich der Platzierung der Mikros geschuldet, die durch die Bauform etwas günstiger positioniert sind.

Draußen bei Wind wird es schwieriger. Open-Ear-Designs sind anfälliger für Windgeräusche. Die KI filtert zwar viel raus, aber ab Windstärke „Donaukanal im Herbst“ klingt man für das Gegenüber etwas blechern. Fazit: Für einen kurzen Call okay, die wirklich wichtigen Meetingcalls, die keine Mail sein können, solltet ihr aber dennoch in windstillen Umgebungen führen.

Die JBL Sense Pro verfügen auch über Multipoint Verbindungen, die es im Normalfall recht einfach macht, die Ear-Hooks nahtlos auf dem Handy, aber auch am Laptop zu nutzen. Nach zwei Kopplungen ist aber Schluss mit den simultan verbundenen Endgeräten.

Die JBL Headphones App ist nach wie vor großartig…

Die JBL Headphones App gehört mittlerweile zu den besten am Markt, und die Sense Pro profitieren voll davon. Es gibt u.a. einen voll anpassbaren 10-Band-EQ. Wer mehr Höhen, Bässe oder spezifische Hertz-Bereiche anpassen will, kann nachregeln.

Die Touchgesten sind in der App frei konfigurierbar. Das ändert zwar nichts daran, dass ich nach wie vor Touchsteuerung in dieser Größe verabscheue, aber immerhin kann ich bestimmen, wovon genau ich genervt bin, wenn ich beim Nachjustieren an den Hörern mal wieder versehentlich eine Touch-Geste ausführe. Nice. Der Video-Modus reduziert die Latenz beim Zocken oder Netflix-Schauen. Das funktioniert tadellos; die Lippenbewegungen sind synchron.

…,aaaber:

Es gibt immer wieder Verbindungs- und Kopplungsprobleme sowohl innerhalb der Smartphone-Einstellungen als auch in der JBL Headphones App. Wenn ich die richtig tollen Features der JBL Sense Pro, wie den Video Mode, LDAC und anderes nutze und umschalte, zieht das zwingendermaßen immer einen recht lange andauernden Neustart und Kopplungs-Vorgang nach sich, der schonmal eine gute Minute dauert. Da muss firmwareseitig, sofern möglich stark nachgebessert werden.

Fazit zu den JBL Sense Pro

Die JBL Sense Pro sind ein Statement. Sie sind nicht einfach nur Kopfhörer, sie sind gemacht für Leute, die ihre Medien nebenbei konsumieren möchten und trotzdem voll für die Umwelt ansprechbar sein und diese mitbekommen wollen (ganz ehrlich: ich will das meistens nicht ;-))

Die ersten Tage muss man tapfer sein, bis sich die Ohren an die Bügel gewöhnt haben. Wer HiFi Sound und Noise-Cancelling sucht, kann den Open-Ear Formfaktor getrost links liegen lassen.

Aber für alle, die beim Sport, im Büro oder im Stadtverkehr sicher unterwegs sein wollen, ohne auf richtig guten Klang (dank LDAC) zu verzichten, sind die Sense Pro eine große Empfehlung. Bluetooth 6.0 macht sie zukunftssicher und die Akkulaufzeit ist ein absoluter Traum. Sollte das Thema mit den Neustarts bei Modiwechsel beseitigt werden gäbe ich eine absolute Kaufempfehlung.

Wer die ersten zwei Tage des neuen ungewohnten Tragegefühls übersteht und Sicherheit im Straßenverkehr einer ANC Funktion vorzieht, findet in den JBL Sense Pro seinen:ihren neuen verlässlichen„Earbuddy“ für Alltag, Büro und Sport

Wertung: 8.9 Pixel

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