Horace Test – Ein ambivalenter Platformer mit viel Story

von David Kolb-Zgaga 03.11.2020

Horace biete euch Jump and Run, Pixeloptik und Videospielgeschichte, begleitet mit klassischer Musik im Chiptune-Stil.

Müll und romantische Klassik in 8-Bit

Horace erschien im Juli 2019, was damals völlig an mir vorüber ging. Jetzt gibt es das Game auch für die Nintendo Switch und deshalb habe ich mir das Pixelwerk doch noch ganz genau angesehen. Schon am ersten Startscreen schlägt mir die melancholische Melodie der Mondschein Sonate von Beethoven entgegen, allerdings in 8-Bit Chitptune-Stil. Ok Spiel – du hast meine Aufmerksamkeit. Ich starte und lerne in mehreren Cutscenes den Roboter Horace kennen, der gerade frisch von einer Familie erweckt wurde und dazu gebaut wurde Müll aufzusammeln. Das Spiel, das von 505 Games gepublisht wird, lässt sich viel Zeit seine Charaktere einzuführen und ist überhaupt für einen Platformer sehr, sehr Story lastig. In mehreren kleinen Episoden erzählt das Spiel davon, wie Horace langsam seinen Platz in der Familie findet und z.B. eine innige Freundschaft mit dem jungen Mädchen Heather entsteht. Sehr nachvollziehbar, denn für mich ist Horace ein liebenswerter Roboter, der erst die Gepflogenheiten der Menschen kennen lernen muss. Konzepte wie Sarkasmus, Lügen oder gar Krieg sind ihm unbegreiflich. Das Spiel reiter aber nicht auf diesem Umstand herum, sondern setzte es klug und subtil ein.

Der Sinn des Lebens

Aber Videospiele stellen uns vor Probleme und die heile Welt zerbricht schon sehr bald. Dann wird Horace in eine Metroidvania artige Welt entlassen, in der er versucht die Familie wieder zusammen zu bringen. Er ist aber auch dabei eine Million Müllgegenstände aufzuheben, denn sein Meister erzählte ihm eigentlich scherzhaft, dass das sein Sinn des Lebens ist. Ja Roboter bzw. KIs, die nach dem Sinn des Lebens trachten, das kennt man. Die Geschichte ist aber sehr charmant erzählt und webt auch noch einen vergangenen Krieg ein, der von Robotern geführt wurde. Dadurch sind Roboter von vielen Menschen verhasst und Horace darf in Zügen nur hinten einsteigen. Ein eindeutiger Wink in Richtung Rassendiskriminierung der 50er Jahre. Was genau in diesem Krieg vor sich gegangen ist, weiß Horace und ich als Spieler nicht und diese und einige andere Mysterien gilt es heraus zu finden. Das Leitmotiv, seine Träume zu verfolgen, ist stark erzählt, auch weil man die Figuren immer besser kennen lernt. Eine sehr ungewöhnliche, aber gute Entscheidung in einem Jump and Run so viele Zwischensequenzen einzubauen.

Ein Roboter erzählt

Diese fallen im Prinzip sehr simpel aus, aber die Grafik mit ihren hübschen Sprites und dem kombinierten Pixellook weiß durchaus zu überzeugen und es gibt sogar Kamerafahrten und Close-Ups. Außerdem wird die Geschichte von Horaces Robostimme erzählt und das sorgt für einen humorvollen Effekt. Horace ist auch zu hören, wenn andere Charaktere die direkte Rede verwenden. Horace ist sichtlich bemüht auch die Familie „gut zu vertonen“, scheitert aber an einer gewissen Emotionslosigkeit. Zumindest im Englischen hat das für mich sehr gut funktioniert und mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht.

Kreative Abschnitte

Ihr werdet während dem Spielen über sehr viele Popkulturreferenzen stolpern. Douglas Adams, alte Videospiele und sonstige Referenzen werden euch in den Cutscenes entgegen geworfen. Mir war das dann irgendwann zu viel. Irgendwann kam der Zeitpunkt, wo ich mir dachte „Ja, ich habs verstanden, hört jetzt bitte auf!“. Es gibt aber nicht nur nervige, sondern auch coole Referenzen. Ein Level ist voll auf Alice im Wunderland angelehnt, komplett mit Grinsekatze als Bossgegner und Pilzen, die größer und kleiner machen. Außerdem wechselt das Gameplay manchmal hin zu einer Partie Space Invaders, einem kurzen Doom-artigen Abschnitt, Pac-Man oder Pong. Das lockert auf und setzt sich vom normalen Jump and Run angenehm ab.

Ganz schön tight

Apropos, denn das hüpfende Coregameplay des Spiels fühlt sich sehr griffig an. Horace ist per Sprintknopf ähnlich wie Mario sehr agil. Dazu kommt, dass man durch die Steuerung eine Art von Gewicht spürt, die Horace mitbringt und seine Bewegungen beeinflusst. Alles spielt sich sehr präzise und der Schwierigkeitsgrad ist wirklich herausfordernd. Das Spiel wurde in den Medien mit Super Meat Boy verglichen, so weit würde ich aber nicht gehen. Es steuer sich ähnlich (was ein sehr großes Kompliment ist), aber es ist nicht so auf Schwierigkeit getrimmt, wie der wandelnde Fleischklumpen. Ihr werdet trotzdem häufig sterben und sehr dankbar sein für die häufig und fair gesetzten Checkpoints. Auch die Ladezeiten sind kurz und knackig, wodurch sich der Frust in Grenzen hält.

Rauf und runter

Mit Gadgets wie Schuhen an denen ihr auch an Wänden entlang gehen könnt, werden neue Gameplaymechaniken eingeführt, die das Jump-and-Run-Gameplay erweitern. Am schwächsten ist das Spiel, wenn in einem Abschnitt, immer noch ein Level oben drauf kommt, das wieder so ähnlich ist wie das vorherige. Es gab einige Momente, wo ich mir nur noch wünschte die nächste Cutscene zu sehen. Es gibt deshalb einige Längen und die tun dem Spiel und auch der Wertung nicht gut. Auf der anderen Seite überraschen mich die EntwicklerInnen dann aber mit einem ganz neuen Spielabschnitt. Die Abwechslung bzw. Monotonie verhalten sich wie ein Pärchen beim Achterbahn fahren.

Musikalische Höhen

Und zu guter Letzt müssen wir noch über den Soundtrack sprechen. Es ist einfach cool die 8-Bit-Versionen von Für Elise oder der Mondschein Sonate zu hören. Ganz besonders wenn die Stücke wie Spanische Romanze (im Original Romance Anónimo) im Spiel eine melancholische Stimmung untermal bzw. perfekt zur Atmosphäre passen. Das ist großartig und ist gerade für einen Indie-Titel herausragend. Auf der anderen Seite gibt es aber auch klassische Stücke, die als Levelhintergrundtrack dudeln, wo sich dann der Gänsehautmoment nicht so recht einstellen will und das Stück immer und immer wiederholt wird. Auch hier gibt es deshalb Licht und Schatten, aber das Licht strahlt in diesem Falle so hell wie in der Klaviersonate 14. der Mond (oder wie Beethoven sagte „quasi una Fantasia“, er war schließlich Deutscher).

Horace Fazit

Horace hat es nicht ganz geschafft mich durchgängig gut zu unterhalten. Dafür war es mir manchmal einfach zu monoton, die Levelabschnitte und Herausforderungen zu gleichförmig. Es hat aber geschafft mich immer wieder zu überraschen und mir sogar neue Gameplayabschnitte in Form von besonderen Levels oder Retrospielen zu präsentieren. Außerdem möchte ich dem Mut Respekt zollen, ein Jump and Run so storylastig zu entwickeln. Einerseits strahlt Horace dabei eine charmante Leichtigkeit aus und gleichzeitig dreht es sich um ernste Themen und die philosophische Frage nach Sinn des Lebens und den eigenen Träumen. Dieser Balanceakt wird durch die unnötig häufigen Zitate an die Popkultur geschwächt. Es lohnt sich aber trotzdem es gespielt zu haben.

Wertung: 7.9 Pixel

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