EU gegen Apple: Mögliches Ende der Apple Stores in Europa

von Mandi 02.09.2016

Die wohl mit Abstand polarisierendste Meldung dieser Woche stammt aus Cupertino. Die europäische Union hat am Dienstagmorgen verkündet, dass Apple knapp 20 Milliarden Euro an Irland zahlen muss. Jetzt kommt’s: Apple und Irland sind beide dagegen. Was ist da los?

EU gegen Apple: Die Hintergründe

Irland ist ein Mitglied der Europäischen Union. Dank dem Freihandelsgesetz dürfen Unternehmen mit einem Hauptsitz irgendwo in der EU ihre Güter verkaufen. Dies erstreckt sich auf den gesamten EU-Raum und betrifft sowohl Güter als auch Dienstleistungen. Die Voraussetzung ist so ein Hauptsitz, der Rest wird in Brüssel (den EU-Headquarters) abgearbeitet. Das soll die Bürokratie vermeiden und Unternehmen unterstützen.

Die EU hat allerdings keine einheitliche Steuersätze. Jedem Land ist es freigestellt, seine Sätze selbst festzulegen. Irland hat sich schon seit der Jahrtausendwende entschieden, genau mit diesen Steuersätzen sein Geld zu verdienen. Die Idee dahinter: Wenn Irland nur 12 Prozent Steuern erhebt, während alle Nachbarländer einen höheren Satz verlangen, ist es für ein internationales Unternehmen eine leichte Entscheidung. Da ein Hauptsitz in der EU reicht, kann man dieses verwaltende Office dort hin bauen, wo es steuerlich am günstigsten ist.

In der Theorie geht nun die EU gegen Apple deswegen vor, weil eine Absprache vermutet wird. Es wird gemutmaßt, dass der Konzern und das Land einen Deal abgeschlossen haben, von dem beide profitieren. Irland bekommt so quasi einen Boost an Steuereinnahmen, und Apple kann so Steuern sparen, da sämtlicher Umsatz in Irland versteuert wird. Dass diese Praktik nicht alle gern sehen, ist auch klar – schnell ist von Unfairness und Ungleichheit die Rede. Nur ist das kein spezieller Deal, sondern Gesetz in Irland. Und 400 Millionen US-Dollar Steuern pro Jahr machen Apple schnell zum größten Steuerzahler in Irland.

Quelle: irland.com

Quelle: irland.com

Warum will Irland die 20 Milliarden nicht?

Irland hat es zur Geschäftspraktik gemacht, durch attraktive Steuersätze große Kunden anzuziehen. Es verletzt keine Rechte (die EU hat kein einheitliches Steuerrecht), und das kleine Land mit grade mal 6,5 Millionen EinwohnerInnen kommt so relativ leicht an relativ viel Geld. Ein klares Beispiel von “Der Klügere gewinnt” – denn hätten sich mit der Einführung der Union alle Länder Gedanken über den Steuersatz gemacht, wäre dieses Problem nun nicht existent.

Irland befürchtet, dass diese Einmalzahlung und das Urteil die eierlegende Wollmilchsau erlegt, wenn die EU gegen Apple gewinnt. Dublin ist ein guter Platz dafür, Geschäfte zu machen, und mit 12,5 Prozent Steuersatz ist es ein ungewöhnlich lukratives Stück Erde. Im Verhältnis zur Größe von Irland und selbst mit diesem günstigen Satz kommt hier schnell viel Kohle zusammen. Dieses Arrangement stößt jedoch der Europäischen Union sauer auf. Eine solche Steueroase braucht es nicht, weswegen die EU gegen Apple und Irland vorgeht.

Die Wettbewerbsbehörde der EU versucht also in Wahrheit, für eine einheitlichere Besteuerung im europäischen Raum einzutreten. Dafür braucht es jedoch Präzedenzfälle, und warum nicht gleich mit dem größten Konzern anfangen? Frei nach dem Motto “wenn’s hier durchgeht, funktioniert’s überall” wird hier nun auf Biegen und Brechen gekämpft, sogar gegen den Willen Irlands. Es ist schon eine spannende Entwicklung, wenn die EU gegen Apple prozessiert und dann das folgende Ergebnis rauskommt:

Die EU verdonnert Apple zu einer Steuernachzahlung an jenes Irland, das sagt, Apple hat bereits sämtliche Steuern abgeführt.

Würde ein Land ein gewisses Unternehmen bevorzugen und ausschließlich jenen Konzern mit Benefits ausstatten, muss etwas unternommen werden. Es ist aber ungewöhnlich, eine Zahlung an jemanden leisten zu müssen, der behauptet, es sei gar keine offen. Hier sieht sich Apple wie schon vor einiger Zeit beim Datenschutz in einer vertrackten Situation, auch als Catch-22 bekannt.

Die Möglichkeiten

Option 1 ist, dass Apple das Urteil einfach akzeptiert. Das bedeutet eine Steuernachzahlung von knapp 20 Milliarden Euro an Irland, und Apple trifft das kaum – so viel verdient es in einem guten Quartal. Doch was dann? Wenn die Steueroase nicht mehr sprudelt, muss man sich als guter Finanzmensch und Ökonom überlegen, wo man weiter den Kapitalismus hochleben lassen kann. Zieht sich der Konzern aus Irland zurück, fehlen dort auf einmal Millionen an Euros pro Jahr wegen einer Entscheidung der EU. Das kann auch nicht das Ziel der Union sein, einzelne Staaten zu benachteiligen, nur weil sie durch intelligente Voraussicht an Geld gekommen sind.

Option zwei: Apple ficht das Urteil an. So wie die EU gegen Apple vorgeht, gibt es auch einige Leute da draußen, die einen großen Konzern gerne fallen sehen wollen. Steuerhinterziehung wird da schnell genannt, das arme Irland wird um Milliarden geprellt, was könnte man da für die Sozialleistungen der Iren und Irinnen tun? Aber immer langsam mit den jungen Pferden: Irland hat seine guten Gründe, warum sie im langfristigen Spiel bleiben wollen. Das schnelle Geld wäre zwar bestimmt sinnvoll angelegt, aber wenn dadurch eine sichere Einnahmequelle versiegt, ist das alles andere als clever und durchdacht.

Wer gewinnt beim Kampf EU gegen Apple?

Nun ist aber spannenderweise Option drei aufgetaucht: Sowohl Apple als auch Irland gehen in Berufung. Niemand hätte auch nur mit der Wimper gezuckt, wenn Irland die Hand aufgehalten hätte, doch hier geht es ums Prinzip. Die EU kann einem Land nicht vorschreiben, wie es sein Geld zu verdienen hat. Irland gibt zu Protokoll, dass sämtliche abzuführenden Steuern korrekt abgeführt wurden, und Apple schlägt natürlich in die Kerbe dieses Arguments ein. Tim Cook, der CEO von Apple, hat in einem öffentlichen Brief verfasst, warum er mit dem Prozedere nicht einverstanden ist. Ein Auszug:

Im Prinzip geht es im Fall der Kommission nicht darum, wie viel Steuern Apple zahlt. Es geht darum, welche Regierung davon profitiert.

Die Steuern multinationaler Unternehmen sind eine komplexe Angelegenheit. Dennoch wird weltweit ein fundamentales Prinzip anerkannt: Der Gewinn einer Firma sollte in dem Land versteuert werden, in dem der Gewinn geschaffen wird. Apple, Irland und die Vereinigten Staaten stimmen diesem Prinzip zu.

Im Fall von Apple findet nahezu die gesamte Forschung und Entwicklung in Kalifornien statt, weswegen der allergrößte Teil unseres Gewinns in den Vereinigten Staaten versteuert wird. Europäische Unternehmen, die in den USA Geschäfte machen, werden nach dem gleichen Prinzip besteuert. Doch die Kommission verlangt jetzt, diese Regeln rückwirkend zu ändern.

Neben den offensichtlichen Auswirkungen für Apple wird der weitreichendste und schädlichste Effekt dieses Beschlusses die Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa betreffen. Würde der Empfehlung der Kommission gefolgt werden, wäre jedes Unternehmen in Irland und Europa mit einem Mal davon bedroht, nach Gesetzen besteuert zu werden, die nie existierten.

Der Steuerkrieg geht weiter

Es gibt schon einige Stimmen, die für eine weltweite Steuerreform sind. Doch rückwirkend kann das Ganze nicht funktionieren und würde der Wettbewerbsbehörde der EU ungeahnte Macht zuspielen. Warum dieser Krieg gegen einen einzelnen Konzern geführt wird und nicht gegen Irland, ist auch so eine Sache. Laut Bloomberg haben über 700 Unternehmen ihren ordentlichen Sitz in Irland. Klar, dass Apple das nicht schmeckt. Darüber hinaus ist diese internationale Steuergeschichte ein altes Lied.

Ein Haufen Geld liegt in Irland herum, das dort auch ordnungsgemäß versteuert wurde. Würde Apple das Geld nach Hause, sprich in die USA zurückspülen, muss ein einmaliger Steuersatz bezahlt werden, damit auch die Staaten etwas davon haben. Allerdings beträgt dieser Steuersatz 35 Prozent. Das ist ein großer Anreiz, so viel Geld wie nur möglich außerhalb der USA zu lagern. Im Oktober 2015 berichtete Ars Technica, dass Apple wie auch Google und Microsoft effektiv 2,3 % Steuern für Einkünfte außerhalb der USA zahlen.

Global gesehen zahlte Apple einen effektiven Steuersatz von 26,1 Prozent, was Tim Cook als “vernünftig” beschrieb. In einem Interview mit dem irischen Rundfunksender RTÉ gab es noch mehr Informationen. Wer sich hier über Steueroasen aufregt und große Konzerne fallen sehen will, schießt gleich an zwei Zielen vorbei. Einerseits geht es hier um Tausende von Arbeitsplätze, die in jeder Gesellschaft bitter nötig sind. Und wer versucht, diese Steuergeschichte auf Privatpersonen umzumünzen, bellt sowieso den falschen Baum an.

Ohne Hauptsitz in Irland kann es jedoch gut möglich sein, dass es keinen Sitz in Europa mehr gibt. Dann tut sich auch was bei den Apple Stores. Weltweit gibt es knapp 500 davon, davon die Hälfte ist in den USA. Die EU verlangt für diese Vorgehensweise jedoch einen ordentlichen Sitz im EU-Raum. Wenn die Stores geschlossen werden müssen, tut das nicht nur dem Konzern weh. Geht es hier überhaupt noch um den Kampf EU gegen Apple? Ich finde, nein. Hier muss etwas am Steuersystem an sich geändert werden, damit es fairer für alle wird. Ein Bauernopfer, egal wie groß, hilft jedoch keinem weiter.