Copycat Test (PS5): Über die Bedeutung von Familie
Copycat von Spoonful of Wonder verspricht eine zutiefst berührende Geschichte über die Bindung zwischen Mensch und Katze.
Worum geht’s in Copycat?
Als Dawn, eine skeptische Tierheimkatze, erleben wir eine dreistündige emotionale Achterbahnfahrt durch Themen wie Verlassenwerden, Zugehörigkeit und die wahre Bedeutung von Zuhause. Mit seiner vollständigen deutschen Lokalisierung und dem Fokus auf narrative Tiefe positioniert sich das Spiel als einzigartiges Erlebnis im Adventure-Genre. Natürlich: Da das Game eine Katze als Protagonistin bietet, sind Vergleiche wie zu Stray fast schon aufgelegt. Aber dennoch ist das Spielgefühl ganz anders, denn statt Erforschung und Heimkommen geht es hier weit mehr um die Gefühlsebene. Copycat (hier geht’s zur Website des Spiels) erzählt die Geschichte von Dawn, einer Tierheimkatze, die sich selbst als Wildkatze betrachtet und zunächst plant zu fliehen, sobald sich die Gelegenheit bietet.
Das Spiel beginnt mit ihrer Adoption durch Olive, eine einsame ältere Australierin, die den Verlust ihres vorherigen pelzigen Begleiters betrauert. Diese Ausgangssituation schafft sofort eine emotionale Verbindung zwischen den beiden Protagonisten, die das Herzstück des Spielerlebnisses bildet. Während man sich nur langsam annähert, findet ihr euch doch schnell zurecht, und dabei dürft ihr selbstverständlich auch Katzen-Dinge machen. Die narrative Struktur folgt einem klassischen Drei-Akt-Aufbau, wobei jeder Akt unterschiedliche emotionale Höhen und Tiefen erforscht. Besonders bemerkenswert ist die Entscheidung der Entwickler, die Geschichte ausschließlich aus der Perspektive der Katze zu erzählen. Dies verleiht dem Spiel eine einzigartige Authentizität und ermöglicht es euch, die Welt durch die Augen eines Haustiers zu erleben.
So wird gespielt
Copycat steckt euch in das Fell von Dawn, und zwar just in dem Moment, in dem ihr von Olive aus dem Tierheim abgeholt werdet. Aus der Third Person-Perspektive seht ihr euren pelzigen Begleiter jederzeit, und ihr könnt fast immer frei im Areal, in dem ihr euch befindet, herumlaufen. Das Gameplay konzentriert sich auf Erkundung und emotionale Verbindung anstatt traditioneller Action-Mechaniken. Ja, wir können typische Katzenaktivitäten ausführen wie Laufen, Springen, Gegenstände umwerfen und nach Futter suchen. Das Spiel bietet auch Mini-Spiele in Form von Quick-Time-Events, etwa beim Jagen, aber es gibt auch andere Einlagen.
Während ihr euch durch die Welt von Copycat bewegt, werden immer wieder Texteinblendungen angezeigt. Diese stellen die Gedanken eurer Katze dar, und anfangs sind sie noch sehr von Angst, Fluchtversuchen und Selbstverteidigung geprägt. Selbst die Entscheidungen des Spiels à la Life is Strange zeigen immer ganz klar, wie sich Dawn fühlt. So kratzt, beißt, lauft und springt ihr durch die Gegend, es gibt auch einen Knopf für das Miauen. Schnell habt ihr euch an die Steuerung gewöhnt, huscht durchs Haus, unter die Couch, klettert auf Zäune und erkundet die Gassen. Das Spielgefühl ist eher ein gemütliches – für dieses Game solltet ihr euch ein wenig Zeit nehmen.
Einmal Katze sein
Besonders cool implementiert ist der Sprecher einer Naturdokumentation, der stets etwas Neues und Interessantes über Katzen oder Raubkatzen zu erzählen weiß. Was naheliegend ist: Dawn sieht sich selbst als große Wildkatze, und dementsprechend rührt von da auch ihr Gebahren her. Doch selbst die räuberischste Wildkatze kann einmal weich werden, wenn es regelmäßig Leckerlis, Streicheleinheiten und stets einen gemütlichen Platz zum Schlafen gibt. Das erste Drittel von Copycat ist mit Abstand das langsamste des Spiels: Erst langsam lernt ihr und Olive euch kennen, recht behäbig ist der Alltag der alten Dame, und generell gibt es anfangs nur wenig zu tun.
Das ist aber auch volle Absicht vom Studio – Spoonful of Wonder lässt sich anfangs bewusst sehr viel Zeit, damit euch die folgende Achterbahnfahrt an Wendungen und Story-Entwicklungen umso härter auf die Reise schickt. Wenn ihr also nach einer Spielstunde glaubt, dass das Game nicht mehr zu bieten hat als Dinge umzuwerfen, ein Haus zu erkunden und Olive zu suchen, seid ihr schief gewickelt. Langsam und zielsicher werdet ihr dann mit weiteren Freiheiten bedacht – zunächst geht es in den Garten, und plötzlich habt ihr von eurer Besitzerin ein Halsband bekommen, das ihr fortan mit Stolz tragt. Doch lange dauert das Ganze nicht an … dafür sorgt das Spiel.
Warum der Name Copycat?
Ohne zu viel von der Handlung des Spiels verraten zu wollen: Copycat trägt seinen Namen zu Recht. Dabei kopiert der Titel aber nicht von Spielen wie Stray, die sich eher mit Geschicklichkeitseinlagen und Rätselpassagen einen Namen gemacht haben. Nein, das äußerst reflektierte Tempo des Spiels ermöglicht es euch, sich vollständig in die Emotionen von Liebe, Einsamkeit und Loslassen hineinzuversetzen. Diese bewusste Langsamkeit ist sowohl Stärke als auch eine Schwäche: Zu diesem Spiel müsst ihr tatsächlich in der Stimmung sein. Wenn ihr grade nur ein paar Mäuse fangen wollt oder eine actionreiche Ablenkung sucht, wird euch das Game nicht in den Kram passen.
Zu tun gibt es einiges, auch, wenn ihr das Angebot erst Schritt für Schritt aufdecken müsst. Die Spielwelt ist in verschiedene Bereiche unterteilt, beginnend mit Olives Haus und Garten, erweitert um die angrenzende Straße und den Stadtpark. Das Spiel ist größtenteils linear strukturiert, bietet aber dennoch genügend Raum für Erkundung und Entdeckung. Für Achievement-Fans wurden verschiedene Sammelobjekte in den Leveln versteckt. Letzten Endes ist aber die größte Stärke des Titels ganz klar seine Story, die euch gerade im letzten Drittel einen Curveball nach den anderen wirft. Da kommt dann auch wieder Copycat, der Name des Spiels, ins Scheinwerferlicht.
So viel Gefühl
Auch, wenn es Trailer und Beschreibung nur vermuten lassen: Das Spiel behandelt tatsächlich sensible Themen wie Familientrauma, Verlassenwerden und andere emotionale Komplexitäten. Diese thematische Tiefe wird durch die farbenfrohe Grafik kontrastiert, die eine interessante Spannung zwischen der visuellen Darstellung und den dunkleren emotionalen Inhalten schafft. Die Entwickler haben bewusst eine Warnung eingefügt, die uns daran erinnert, bei schwierigen Zeiten Unterstützung zu suchen und das Spiel in unserem ganz eigenen Tempo zu spielen. Lange dauert das Game jedenfalls nicht, denn nach drei bis vier Stunden ist Schluss.
Mit dieser durchschnittlichen Spielzeit für die Hauptgeschichte bietet Copycat ein konzentriertes, aber vollständiges Narrativ-Erlebnis. Completionist-Fans können etwas mehr Erkundung investieren, um alle Inhalte zu finden. Diese kompakte Länge entspricht perfekt der emotionalen Intensität der Geschichte und verhindert eine Verwässerung der narrativen Wirkung. Das Game überzeugt durch seine authentische Darstellung der Mensch-Tier-Beziehung und die mutige Behandlung schwieriger Themen. Seine vollständige Vertonung, die atmosphärische Musik und die liebevolle Detailarbeit schaffen ein immersives Erlebnis, das lange im Gedächtnis bleibt. Die deutsche Lokalisierung macht das Spiel für alle vollständig zugänglich.
Copycat: Die Technik
Copycat präsentiert sich mit einem charmanten Low-Poly-Look, der durch atmosphärische Lichtstimmung und dichten Nebel ergänzt wird. Die visuelle Gestaltung schafft eine warme, einladende Atmosphäre, die perfekt zur intimen Natur der Geschichte passt. Die farbenfrohe Grafik dient nicht nur der Ästhetik, sondern unterstützt auch die emotionale Reise der Protagonisten. Was die Beleuchtung angeht, sie wirkt manchmal wirklich Wunder und hilft dem Game, sich ausreichend von der Masse abzuheben. Die Animationen wiederum reichen von butterweich bis zu teilweise ruckelig: Man merkt, dass hier ein kleines Team gearbeitet hat. Während die Tiere gut aussehen, ist das bei den Menschen nicht ganz so gelungen – sie sehen teils creepy aus.
Das Handling des Spiels wurde speziell für die Darstellung des Katzenverhaltens entwickelt, wobei das Sprungverhalten allerdings als etwas zu schwebend und ohne ausreichendes Gewichtsgefühl ausfällt. Da ihr manchmal Sprungeinlagen hinlegen müsst, fällt euch das so manches Mal auf. Bei den Sounds des Spiels gibt es wiederum Stärken aufzuzählen: Das Spiel ist vollständig vertont und bietet stundenlange Dialoge mit einer guten Besetzung. Die Originalmusik stammt von Daniel Bunting und trägt maßgeblich zur emotionalen Wirkung bei. Besonders hervorzuheben ist die Verwendung eines Naturdokumentations-Erzählers als innerer Monolog von Dawn, was im Verlauf der Geschichte eine Stanley Parable-Wendung nimmt.
Das Fazit: Starkes Erlebnis
Copycat tut genau das, was es sagt: Es bringt euch das Leben einer Katze näher, zieht euch in seinen Bann und überfährt euch dann mit dem Laster der Emotionen. Das kommt natürlich mit seinen ganz eigenen Praktiken: Das Spiel positioniert sich fest in seiner Nische zwischen einem Katzen-Simulator und einem Erzählspiel. Wenn ihr also Lust darauf habt, als Vierbeiner etwas zu fühlen und euch von einer Wildkatze zu einem Familientier zu entwickeln, dann solltet ihr euch dieses Game nicht entgehen lassen. Dieses Spiel ist ein von Herzblut geprägtes Indie-Game, auch seine Länge zwischen drei und vier Stunden überstrapaziert weder Geduld noch Zeit. Leicht ist das Game ebenso, es kann also von so gut wie allen gespielt werden.
Kritikpunkte finden sich dabei in der Umsetzung der Bewegungsmechaniken (die Sprünge sind wie ein Heißluftballon auf einem Trampolin?) und das äußerst gemächliche erste Drittel des Spiels. Dieses langsamere Pacing am Beginn wird viele abschrecken, die sich auf ein wenig mehr Action freuen oder überhaupt erwartet haben, dass hier etwas Forderndes auf sie zukommt. Copycat richtet sich primär an alle, die narrative Tiefe und emotionale Authentizität schätzen. Katzen-Fans werden besonders von der liebevollen Darstellung der Protagonisten profitieren. Mit seinem Erscheinungsdatum am heutigen Tage auf PS5 und einem Preis von 14,99 Euro bietet das Spiel ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis für die gebotene emotionale Intensität.