Assassin’s Creed: Rogue (PS3) im Test

von Max Hohenwarter 11.11.2014

Es ist mal wieder November. Und wenn eines in dieser Zeit in Stein gemeißelt ist, dann ist das die alljährliche Erweiterung von Ubisofts Assassinen-Anthologie. Dieses Jahr ist der Publisher sogar gleich doppelt spendabel und schickt sowohl einen Ableger für die Last-, wie auch die Current-Gen ins Rennen. Dass sich Ubisoft bei Assassin’s Creed: Rogue die Anklage einer Best-of-Resteverwertung gefallen lassen muss, war mir bereits bei den ersten Gameplay-Previews klar. Warum ihr als BesitzerInnen einer PS3 oder Xbox 360 trotzdem zugreifen dürft, lest ihr in meinem Review.

Splitterndes Bündnis

Assassin’s Creed: Rogue bildet den Abschluss der Amerika-Triologie. Shay Patrick Cormac kämpft in jungen Jahren für die Assassinenbruderschaft. In den 1750er Jahren befindet sich diese mit den Franzosen in einem Zweckbündnis, um den kriegerischen Handlungen der Briten während des Siebenjährigen Krieges im Nordatlantik ein Ende zu bereiten und so auch den Einfluss der Templer zu schmälern.

Shay bekommt eine handfeste Ausbildung im Meuchelmörderhandwerk und wird auch gleich, nach Abschluss derselben, auf eine Mission geschickt, zwei in Templerbesitz gelangte Vorläuferartefakte zu beschaffen – eine Schatulle und ein Manuskript. Was genau diese zwei Dinge machen, bzw. worauf sie verweisen, ist vorerst keiner der involvierten Parteien bekannt. Nachdem Shay den machtgierigen Templern besagte Reliquien stiehlt, lüftet er mit Hilfe von Benjamin Franklin das Geheimnis der Box.

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Wie sich herausstellt, birgt das Kästchen eine Karte mit den genauen Fundorten der von der ersten Zivilisation zurückgelassenen Edensplitter. Diese sind mächtige und auch zerstörerische Relikte, die im Stande sind, den Anwender Gedanken manipulieren und kontrollieren zu lassen. Shay macht sich nach der Entdeckung eines solchen Splitters in Lissabon auf den Weg dorthin, um das Kontrollinstrument zu bergen, bevor die Templer es tun. Als er den Vorläufertempel in der Kathedrale öffnet und Hand an den Splitter legt, passiert etwas Unvorhergesehenes, das das berüchtigte Erdbeben und den Großbrand im Jahre 1755 auslöst und die komplette portugiesische Hauptstadt in Schutt und Asche legt, wobei mehrere zehntausend unschuldige Leben ausradiert werden.

Shay macht die Assassinen für das Geschehene verantwortlich und sagt sich von seinen Bundesbrüdern los. Um zu verhindern, dass sich eine weitere Tragödie wie in Portugal ereignet, stiehlt er der Bruderschaft das Manuskript. Auf der Flucht wird er an einer Klippe vor den ehemaligen Verbündeten gestellt. Doch anstatt aufzugeben, springt Shay, damit dieses Buch, das scheinbar das Wissen um die Zerstörung der Welt enthält, wie er glaubt, nicht in die falschen Hände gerät. Wie durch ein Wunder überlebt er und stellt sich alsbald gegen seine Brüder und Schwestern – er wird gar zu deren Jäger.

(Insert Black Flag Review here)

Die Überschrift verrät es schon: Assassin’s Creed: Rogue ist eigentlich der Zwilling von Assassin’s Creed IV: Black Flag. Von Waffen über Nebenaufgaben, Open-World-Schifffahrt, Jagd, Harpunierquests, Crafting, Sammelgegenstände, Animationen, Interface etc … ist alles eins zu eins aus dem Vorgänger übernommen. Sogar in den Gegenwartsabschnitten bewegen wir uns wieder in den Hallen von Abstergo Entertainment und geben den nichtsahnenden Gamedesigner. Das ist aber wenig verwunderlich, bedenkt man, dass auch bei Assassin’s Creed: Rogue die Anvil-Next-Engine im Hintergrund werkelt. Ist das nun schlecht? Nein. Alle Mechaniken haben in Assassin’s Creed IV: Black Flag hervorragend funktioniert, machten viel Spaß und hielten lange bei der Stange. Und das gleiche kann man vice versa auch im Fall von Assassin’s Creed: Rogue behaupten. Ist denn dann überhaupt irgendwas neu an Rogue?

Jein. Es wurden geringe Alibi-Änderungen vorgenommen. Wo Edward zwei Entermesser führte und ein Blasrohr bemühte, um Wachen entweder gegeneinander aufzubringen oder einzuschläfern, benutzt Shay einen Dolch und ein Schwert, sowie ein lautloses Luftgewehr mit denselben Schussmodi. Allerdings kann Shay das Gewehr im weiteren Spielverlauf in einen Granatwerfer verwandeln. So könnt ihr ganze Gegnergruppen einschläfern, respektive gegeneinander aufbringen. Das war es aber auch. Und wie sieht es mit den Schiffsupgrades aus? Nun ja; selbes Spiel wie vorhin: anstatt ausbremsenden Kettenkugeln setzt Shays Schiff, die Morrigan, auf Brandgeschosse, die die Segel einäschern. Im Gegensatz zu den Explosivfässern, die Verfolger auf Abstand halten, schüttet ihr in Assassin’s Creed: Rogue brennendes Öl hinter euren Kahn. Eine weitere marginale Änderung betrifft die Drehbassen, mit denen ihr die feindliche Crew dezimieren oder offenliegende Schwachstellen an den Booten eurer Gegenspieler angreifen konntet. Die haben auch immer noch denselben Zweck, wurden aber gegen die fortgeschritteneren Puckle-Gewehre mit Trommelmagazin und folglich höheren Schussfrequenzen getauscht.

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Was leider nicht aus dem Vorgänger übernommen wurde, sind die coolen Unterwassereinlagen. Macht aber, wie man fairerweise sagen muss, Sinn, denn im eiskalten Wasser des Nordatlantik gehen wohl nur die härtesten Eskimos auf Tauchausflug, während Shay nur erfriert. Und damit sind wir auch schon bei der größten Neuerung von Assassin’s Creed: Rogue: dem Schauplatz. Anstatt sich in Karibik die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen und wie Käpt’n Kenway literweise Rum zu gurgeln, chillt Shay im wahrsten Sinne des Wortes an der kanadisch-amerikanischen Ostküste. Die gesamte Spielwelt von Assassin’s Creed: Rogue ist einfach nur riesig und geschätzt doppelt so groß wie die West-Indies. Doch neben dem riesigen, kalten und frei „beschipperbarem“ Nordatlantik gibt es mit dem River Valley auch eine gemäßigtere Klimazone. An eine tatsächliche Stadt hat man im Gegensatz zu den Shanty Towns der Karibik diesmal ebenfalls wieder gedacht, namentlich New York. Auf Manhattan Island gibt es ähnlich viel zu tun, wie auf See. Allerdings sei an dieser Stelle angefügt, dass man auch hier alle Stadt-Spielmechaniken aus der Ezio-Triologie zitiert. So müsst ihr diesmal Stadtgebäude reparieren, um eure Finanzen aufzustocken und Assassinen-Hauptquartiere ausheben, um die Viertel unter Templerkontrolle zu bringen.

Detailfülle mit kleinen Kratzern im Lack

Da, wie bereits erwähnt, auch bei Assassin’s Creed: Rogue dasselbe Grafikkonstrukt wie bei Assassin’s Creed IV: Black Flag seinen Dienst tut, ist die Optik natürlich genau so schön wie im Piratenabenteuer. Entsprechend wurde der Nordatlantik mit seinen Eisbergen, den gekenterten Schiffswracks und kleinen Fischeransiedlungen detailliert und hübsch im Spiel eingefangen. Die dort ansässige Fauna, wie Narwale und putzige Pinguine, beleben das Nordmeer und laden, wenn auch unfreiwillig, den Harpunen-Aficionado zu Jagdtripps ein. Das River Valley überzeugt mit immergrünen Tannenwäldern und einer Fjord-ähnlichen Landschaft. Wie von den bisherigen Teilen der Serie gewohnt, erfreut also auch Assassin’s Creed: Rogue mit seiner gut recherchierten Landschafts-Detailfülle wieder das Auge.

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Jedoch ist Assassin’s Creed: Rogue nicht perfekt. Die Schatten auf den Charakteren flimmern genau so gerne wie die Kanten, die Gesichter der Figuren wirken, ob ihrer eingeschränkten Mimik, sehr maskenhaft und auch vor seltenen Texturladefehlern ist das Spiel nicht gefeit. Ob das alles nachgepatcht wird, ist fraglich, da diese Einschränkungen wohl hauptsächlich der mittlerweile limitierten Rechenleistung der Last-Gen geschuldet sind.

In Sachen Vertonung überzeugt beim neuesten Serienteil vor allem die Musik, die ich persönlich für die bisher beste der gesamten Spielreihe halte. Besonders in den Momenten, in denen Shay entdeckt wird und ein Kampf unausweichlich wird, erzeugt das Zusammenspiel aus elektronischen Beats und E-Gitarren-Riffs mächtig Atmosphäre. Auch die Sprecher der deutschen Fassung möchte ich loben, denn die Dialoge sind allesamt sehr überzeugend eingesprochen und der Cast kann mit bekannten Stimmen, wie beispielsweise Thomas Nero Wolff, der normalerweise Hugh Jackman seine Stimme leiht, auftrumpfen.

Fazit:

Assassin’s Creed: Rogue könnte ich vorhalten, dass es ein Assassin’s Creed IV: Black Flag in anderem Setting und mit eingestreuten Assassin’s Creed: Brotherhood-Elementen ist, tu ich aber nicht. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kritikern, die die mangelnde Innovation und das mehr und mehr stagnierende Gameplay in Ubisofts Meuchelmörder-Serie beklagen, bin ich zum einen ein großer Fan der Franchise und habe eigentlich rein gar nichts gegen More-of-the-same, solange es Spaß macht und, verdammt nochmal, das tut es. Dass die EntwicklerInnen die ganzen Spielelemente vergangener Teile recyclen und selbst die (Schiffs-)Waffen nur äußerlich, aber nicht in ihrer Funktionsweise verändert, erneut an den Start schicken, finde ich nicht verwerflich. Eher umgekehrt ist es der Fall, denn immerhin versucht man, die Ausrüstung an ein anderes Szenario anzupassen, da ein Blasrohr zwar in ein indigenes, sicher aber nicht in ein Nordatlantik-Szenario passt. Ich sage immer: never change a running system und genau das attestiere ich auch Assassin’s Creed: Rogue. Die Leute, denen die Innovationslosigkeit heutiger AAA-Titel gegen den Strich geht, sollen eben auf kreative Indiespiele zurückgreifen, aber im Falle von Assassin’s Creed: Rogue beschließe ich mit den Worten:

Repariert nicht, was nicht kaputt ist, gebt den Fans, was die Fans wollen und nennt es Assassin’s Creed: Rogue oder Assassin’s Creed: Weißwurst oder Assassin’s Creed: Bratapfel oder wie auch immer, solange es mir so viel Spaß wie bisher macht!

Assassin’s Creed: Rogue ist ein Best-of der Serie! Absolute Kaufempfehlung für Open-World und Assassin’s Creed-Fans.

9.5

Wertung: 9.5 Pixel

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