Dear me, I was… Test (Nintendo Switch 2): Berührendes Aquarell-Abenteuer

von Mandi 04.08.2025

Keine Worte, wenig Spiel, viel Story: Mit Dear me, I was… bekommt ihr in einer Stunde eine berührende Geschichte präsentiert.

Über Dear me, I was…

Arc System Works überrascht mit einem emotionalen, interaktiven Erlebnis für Nintendo Switch 2, das optisch beeindruckt, aber spielerisch nichts bietet. Der neueste Titel vom Team hinter Hotel Dusk und Another Code erzählt eine berührende Geschichte über das Leben einer Frau – doch kann das einzigartige Konzept auch vollends überzeugen? Nach Jahren voller temporeicher Prügel-Spiele wie Guilty Gear und BlazBlue wagt Arc System Works einen neuen Ansatz. Dear me, I was… ist ein textloses, interaktives Narrativ-Abenteuer, das am 31. Juli 2025 exklusiv für Nintendo Switch 2 erschienen ist. 

Für schlanke 7,99 Euro bekommt ihr ein etwa 60 Minuten langes Erlebnis, das sich gänzlich auf visuelle Erzählkunst konzentriert. Das kreative Dreamteam hinter dem Projekt ist nicht von ungefähr: Art Director Taisuke Kanasaki prägte bereits die unverwechselbare Optik von Hotel Dusk: Room 215 und Another Code, während Regisseurin Maho Taguchi ebenfalls an der Another Code: Recollection beteiligt war. Das Entwicklerteam bestand laut Arc System Works überwiegend aus Frauen, was dem Spiel eine besondere Perspektive verleiht. Die Zielgruppe? Laut Taguchi primär „erwachsene Frauen“, aber wie sich zeigt, kann das Spiel durchaus ein breiteres Publikum ansprechen.

Eine Lebensreise in Aquarellfarben

Das Herzstück von Dear me, I was… ist seine einzigartige Erzählweise. Ihr begleitet eine namenlose Frau durch die prägendsten Momente ihres Lebens – von der Kindheit bis ins hohe Alter. Dabei wird komplett auf Text verzichtet; die Geschichte entwickelt sich ausschließlich über Bewegungen, Gesten und die ausdrucksstarken Aquarell-Animationen. Jedes der zehn Kapitel beginnt mit derselben Routine: dem Frühstück. Was zunächst wie eine Belanglosigkeit wirkt, entpuppt sich als cleveres Stilmittel. Während die Protagonistin als Kind noch Milch und Obst zu sich nimmt, wandelt sich ihre Morgenmahl im Laufe der Jahre zu Croissants und Kaffee. 

Diese kleinen Details, aber auch andere, verdeutlichen den Wandel des Lebens auf subtile, aber eindrucksvolle Weise. Die erzählten Momente reichen von Kindheitserinnerungen über erste Liebschaften bis hin zu Verlusten und persönlichem Wachstum. Ein durchgängiges Thema ist dabei die Kunst: Die Protagonistin zeichnet und malt durchs ganze Leben hindurch, was nicht nur zur Geschichte passt, sondern auch die Verbindung zwischen Kunst und menschlicher Erfahrung unterstreicht. Leider springt die Erzählung oft zu schnell zwischen den Lebensphasen hin und her, sodass die Vielzahl an emotionalen Momenten nicht genug Zeit zum Wirken bekommen.

Kein Spiel im Spiel

Als interaktives Erlebnis setzt Dear me, I was… ganz bewusst auf Einfachheit. Die meiste Zeit beobachtet ihr das Geschehen passiv, könnt aber an entscheidenden Stellen eingreifen. Also, „eingreifen“, neben der eingangs erwähnten Frühstücks-Auswahl sind das hauptsächlich Zeichen-Sequenzen, bei denen ihr den Cursor über den Bildschirm bewegt, um Kunstwerke der Protagonistin zu „vollenden“. Diese Zeichen-Momente hätten das Highlight des Spiels sein können. Stattdessen reduzieren sie sich auf das reine Bewegen des Cursors, während vorgefertigte Kunst auf dem Bildschirm erscheint. Das erinnert an die Magic-Zeichenblöcke aus unserer Kindheit und funktioniert grundsätzlich.

Hier wurde allerdings ein Stück weit Potenzial verschenkt – ein echtes Nachzeichnen von Konturen oder das Nachempfinden ihrer Stimmung wären weitaus eindringlicher gewesen. Gerade mit dem Touchscreen hätte das einfach funktioniert, so wischt ihr nur herum. Die Steuerung via Maussteuerung, wo ihr die A-Taste statt einem Trigger drücken müsst, ist daneben lausig. Abgesehen von diesen Zeichen-Sequenzen bietet Dear me, I was… nur das Weiterschalten von manchen Sequenzen an, wo ihr gebeten werdet, etwa einen Brief zu öffnen. Wie gesagt: Ein Spiel per se dürft ihr hier absolut nicht erwarten, hier geht es vordergründig nur um die Story. Wenn euch das zusagt, dann könnt ihr hier glücklich werden, andere finden es möglicherweise langweilig.

Dear me, I was…: Kunst trifft Videospiel

Visuell ist Dear me, I was… zweifelsohne ein Highlight. Taisuke Kanasakis charakteristischer Aquarell-Stil kommt im Handheld-Modus in HD-Auflösung voll zur Geltung. Die Rotoskopie-Technik, bei der Animationen über reale Schauspieler gezeichnet werden, verleiht den Charakteren eine Lebendigkeit, die herkömmliche Animationen nicht erreichen können. Besonders gelungen sind die Farbübergänge: In emotionalen Tiefpunkten dominieren graue, gedämpfte Töne, während glückliche Momente in leuchtenden Farben erstrahlen.

Die Soundabteilung verdient ebenfalls Lob. Der piano-lastige Soundtrack fügt sich nahtlos in die melancholische Grundstimmung ein und verstärkt emotionale Momente dort, wo die visuelle Erzählung an ihre Grenzen stößt. Die Musikstücke sind so einprägsam, dass man sie gerne auch außerhalb des Spiels hören würde. Technisch läuft Dear me, I was… stabil sowohl im Handheld- als auch im TV-Modus. Die Dateigröße hält sich mit 2,1 GB in Grenzen, was der kurzen Spielzeit entspricht. Sprachausgabe gibt es bewusst keine, sehr konsequent.

Das Fazit: Mehr Kunst als Game

Mit 7,99 Euro für knapp 60 Minuten Spielzeit bewegt sich Dear me, I was… preislich im Rahmen eines Indie-Films oder ein, zwei Zeitschriften. Die Frage ist: Rechtfertigt die künstlerische Qualität diesen Preis für so wenig Inhalt? Das hängt stark von euren Erwartungen ab. Wer eine traditionelle Spielerfahrung mit Rätseln, Wiederspielwert oder komplexen Mechaniken sucht, wird enttäuscht. Hier erwartet euch eher ein interaktiver Kurzfilm – ein „Arthouse-Game“, das auf emotionale Wirkung setzt. Nach dem ersten Durchgang gibt es praktisch keinen Grund zur Rückkehr: keine alternativen Enden, keine versteckten Geheimnisse, keine neuen Erkenntnisse. Das faszinierende Experiment, was ein Videospiel als künstlerisches Medium drauf hat, ist aber definitiv einen Blick wert. Die Narrative und die mitreißenden Kurzgeschichten lassen euch tief in die Gefühlswelt der Figur (und eure eigene) abtauchen.

Gleichzeitig müsst ihr euch bewusst sein, worauf ihr euch einlasst: Es ist kein traditionelles Spiel. Es ist eher ein interaktiver Kurzfilm mit minimalen Gameplay-Elementen. Die Spielzeit vergeht schnell, hinterlässt aber – wenn ihr euch darauf einlasst – durchaus einen bleibenden Eindruck. Die Switch 2-exklusiven Features sind dabei kein Kaufgrund, und die technische Umsetzung der Maus-Steuerung ist verbesserungswürdig. Dafür stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis bei 7,99 Euro: Günstiger als ein Kinobesuch, aber mit ähnlich kurzer Laufzeit. Fans von künstlerischen, experimentellen Spielen sollten zugreifen. Wer jedoch Action, komplexe Rätsel oder langen Spielspaß erwartet, ist mit Dear me, I was… falsch beraten. Es ist ein kleines, feines Kunstwerk – aber eben auch nicht mehr als das. Für eine ruhige Stunde zwischen den großen Blockbustern ist der Titel aber seinen Preis durchaus wert!

Wertung: 7.5 Pixel

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