Gears Tactics Test – Deckung und brachiale Kämpfe auch per Rundenstrategie

von David Kolb-Zgaga 27.04.2020
  1. Gears Tactics liefert euch trotz des rundenbasierten Taktikgameplays  brachiale Kettensägenfinisher, agressive Deckungskämpfe und nicht zu vergessen viel Story inklusive Militär-Bromance.

Locust züchten Locust

Gears Tactics wechselt zwar das Genre, ist mit der Story, die zwölf Jahre vor dem ersten Teil spielt, aber fix im Gears-Universum verankert. Hauptcharakter ist Gabe Diaz, der Vater von Kait Diaz, den man aus Gears 5 bereits kennt. Gabe hat sich nach negativen Ereignissen in der Vergangenheit zurückgezogen, doch die ruhige Kugel wird schon zu Spielbeginn abgeschoben. Das liegt mitunter immer noch am schon lange vergangenen Emergence Day (E-Day), an dem die alienartigen Locust aus der Erde schossen und die Bevölkerung auf Sera angriff. Zurück in der Gegenwart lässt der zwielichtige Präsident Prescott mit Hammer Strikes (bombenartigen Angriffen) auf Sera herabregnen und nimmt dabei auch verheerende Kollateralschäden in Kauf. Genau der beauftragt Diaz aber sich einen Trupp zusammenzustellen und den Locust-Wissenschaftler Ukkon aufzuspüren und zu eliminieren. Ukkon „produziert“ nämlich eigene Locust Unterarten und modifiziert sie auch noch stark und das soll schleunigst unterbunden werden. Gears Tactics erklärt nicht noch einmal die gesamte Lore. Quereinsteiger dürften mit bestimmten Begrifflichkeiten Probleme bekommen.

Viel Story, viel Gears

Im Lauf der Kampagne, die aus drei Akten und etwa 35 Spielstunden besteht, schließen sich euch immer mehr Rekruten und Helden an. Nach beinahe jeder abgeschlossenen Hauptmission gibt es Zwischensequenzen, die die Story voran treiben. Das ist zwar keine Innovation, hat aber auch bei hervorragenden Spielen wie Star Craft oder War Craft immer gut funktioniert. Ja die Geschichte von Gears Tactics ist einfach gestrickt und handelt von viel Militär und prägnanten, muskelbepackten Hauptcharakteren. Sie ist aber durch die Zwischensequenzen packend inszeniert und bietet Wendungen und Twists an. Leider gibt es neben den Twists aber kein wirkliches emotionales Highlight, wie man das aus der Hauptserie kennt. Ich komme später noch dazu, warum ich einerseits genervt und dann doch wieder von der Handlung und dem Spiel insgesamt mitgerissen wurde.

Mehr Bewegungsfreiheit

Gleich in meiner ersten Mission fällt auf, dass sich Gabe und sein schnauzbärtiger, mürrischer Kollege Sid die Aktionen Schießen, Laufen, Nachladen, Spezialaktionen und Overwatch beherrschen. Jede Figur hat dabei drei Aktionspunkte (APs) und kann diese auf beliebige Aktionen verteilen. Im Gegensatz zu XCOM kann ich  mich aber auch dazu entscheiden z.B. drei Mal hintereinander zu schießen. Dadurch wird die Positionierung am Schlachtfeld noch wichtiger. Das gilt gleich doppelt für die Overwatch-Mechanik, die alle Figuren, aber auch die Locust beherrschen. Befinden sich Gegner hinter Deckung habt ihr meist nur eine 10-20 prozentige Chanche sie zu treffen. Da hilft nur raus aus der Deckung und flankieren oder Overwatch aktivieren. Damit begibt sich der jeweilige Charakter aus der Deckung und schießt, sobald sich jemand in seinem Sichtkegel bewegt. Das ist wahnsinnig mächtig und sollte bereits in der ersten Stunde in Fleisch und Blut übergehen. Auch die Locust sind nicht dumm und nutzen die Overwatch-Fähigkeit gekonnt, um eure Helden an Ort und Stelle fest zu pinnen. Bewegt ihr euch trotzdem müsst ihr schwere Verluste hinnehmen.

Nachladen sicher Überleben

Ein wichtiger Teil in einem Gears-Titel war und ist immer noch das Nachladen. In Tactics müsst ihr aber kein Minispiel absolvieren, sondern einen AP dafür aufwenden. Das wirkt sich sogar auf Overwatch aus, denn wer nur mit einer Kugel im Magazin die Fähigkeit einsetzt, wird auch nur einmal schießen und nicht bis zu drei oder sogar vier Mal. Wie viele Kuglen euer Squad im Lauf hat, kommt ganz auf ihre Klasse an. Sniperschützen haben nur drei Patronen, Vanguards oder Heavys mit ihren schweren MGs haben fünf. Natürlich hat ein Scharfschützengewehr dafür eine weit höhere Reichweite und macht auch deutlich mehr Schaden. Nach ca. zehn Stunden habt ihr dann alle fünf Klassen kennen gelernt und ihr lernt, wie ihr sie am besten kombiniert und welche Vor- und Nachteile sie haben.

Level Up

Mit Levelaufstiegen erhaltet ihr in einem Fertigkeitenbaum passive Boni, sowie aktive Fähigkeiten dazu. Gabe Diaz ist Supporter und kann zu Beginn andere Squadmitglieder heilen. Später erlernt mein Diaz dann die Fähigkeiten anderen Helden für einen Zug zwei zusätzliche APs zu verleihen. Gepaart mit meiner Scharfschützin Mikayla, kann das dann schon über Sieg oder Niederlage in einer Schlacht entscheiden. Sid kann von Anfang an seine Kettensägenbayonett einsetzen, das zu einem gewohnt coolen und blutigen One-Hit-Finisher führt. Auf Stufe drei spendiere ich ihm dann die passiven Boni, dass der Cooldown geringer gehalten ist und außerdem er per Kettensägenkill wieder einen AP zurück bekommt. Durch die verschiedenen Klassen könnt ihr so z.B. auch Gegner aus der Deckung werfen, sie für eine Runde unbeweglich machen, und vieles, vieles mehr. Das Ausprobieren und Experimentieren macht richtig viel Spaß und auch eure Soldaten wachsen euch ans Herz.

Meine Crew

Allerdings nicht ganz so wie bei XCOM, denn hier gibt es Story Helden, wie Gabe, Sid oder Mikayla, die ihr vom Spiel vorgegeben bekommt. Weiters könnt ihr euch in Nebenmissionen aber auch noch neue Soldaten anheuern, bei denen ihr Name, Aussehen, Kleidung und sogar Spitzname nach euren Wünschen anpassen könnt. Für die nötige emotionale Bindung habe ich meine zusätzlichen Charaktere nach meinen Kollegen benannt und Mandi, Mathias und Stefan haben mehr als nur einmal in Gears Tactics den Tag gerettet. Die Storymissionen fordern dann aber Helden wie Gabe ein, die unbedingt mit an Board sein müssen, da sonst die Geschichte, die erzählt wird keinen Sinn mehr machen würde. Das ist zwar einerseits schade, führt aber auch dazu, dass es kein eingespieltes Squad aus vier Leuten gibt, sondern immer wieder neue Konstellationen entstehen und neue Rekruten angeheuert werden müssen.

Automatisches Speichern

Wie in all diesen Spielen gibt es auch hier wieder einen Iron Man Modus, wo automatisch immer gespeichert wird und ihr verstorbene Charaktere nicht mehr zurück bekommt. Das gilt aber nur für die Nicht-Helden-Fraktion (Mandi, Mathias, Stefan), stirbt ein Held wie Sid, dann ist Game Over und es wird von vorne begonnen. Interessanterweise könnt ihr auch ohne Iron Man Modus nicht Schnellspeichern bzw. –Laden. Per Checkpoints wird gespeichert und diese können geladen bzw. die Mission von neuem gestartet werden. Das macht die Entscheidungen interessanter, denn ständiger Qickload ist nicht möglich. D.h. auch im normalen Spiel möchte man unbedingt vermeiden, dass ein Charakter stirbt.

Wiederbeleben bevor es zu spät ist

Zum Glück sind die Gears-Soldaten nicht sofort tot, wenn ihre Lebensenergie auf Null sinkt. Ihr könnt ausgeknockte Kollegen jederzeit wieder beleben oder sogar einmal pro Mission die „zweite Luft“ einsetzen, um so mit ihnen weiterspielen zu können. Allerdings erhalten die Charaktere bei jedem Mal zu Boden gehen auch 20 Prozent weniger maximale Energie. Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad habe ich das erste Kapitel komplett schadlos überstanden, dann aber beginnt die Komplexität weiter anzusteigen, denn bis kurz vor Schluss bewirft euch das Spiel ständig mit neuen Gegnertypen, die euch vor andere Herausforderungen stellen. Auf „normal“ spielt es sich trotzdem ein wenig zugänglicher als ein XCOM, auf den höheren Schwierigkeitsgraden geht es dann richtig hart zur Sache. Die Kämpfe an sich sind aber egal auf welchem Level ihr spielt, immer sehr aggressiv und dynamisch.

Zahlreiche Locust Arten

Die verschiedenen Gegnertypen machen nicht nur Gears 5, sondern auch Gears Tactics zu einem beachtlichen Spiel. Es gibt die normalen Locust-Drohnen, die euch unter Beschuss nehmen und hin und wieder flankieren. Das Spiel wirft euch aber auch die kleinen, sehr mobilen Wretches, die auf Nahkampfsetzen und im Kampf auf eure Soldaten zusprinten entgegen. Dasselbe gilt für die Ticker, die aber nicht zuschlagen, sondern in eurer Nähe explodieren und massig schaden anrichten. Wagt ihr euch aber aus der Deckung raus, dann könnt ihr einen solchen Ticker per Fußtritt in eine Gegnermenge kicken und mit einem gezielten Schuss dort zum explodieren bringen.

Extrem gefährlich sind auch Boomer und Therons, die mit Granatwerfern und Armbrust über Deckung schießen können. Dafür bleiben deren Waffen liegen und euer Squad kann diese für kurzzeitig weiterverwenden. Am aller schlimmsten sind aber die Kantus, Priesterarige Wesen, die kaum kämpfen, aber alle anderen Locust buffen und ihre Verteidigung um 70 Prozent steigern. Wo früher ein Granatenwurf mehrere Gegner auf einmal ausgeschaltet hat, putzen sich nach einem Kantus Segen die Locust den Staub ab und schießen weiter. Auch die E-Holes, aus denen jede Runde neue Locust ausbrechen sind absolut bösartig und haben mich oft ins Schwitzen gebracht. Nur wer eine Granate ins E-Hole wirft, stoppt den bevorstehenden Gegnerzufluss.

Brutal gutes Logikpuzzle

Das Zusammenspiel aus Gegnervielfalt, Gegneranzahl und immer neuen Kombinationen funktioniert außerordentlich gut. Ständig zwingt mich das Spiel meine Deckung aufzugeben und alte Vorgehensweisen zu überdenken. Viele Situationen startet mit einem Gefühl der Auswegslosigkeit. Liegt dann der letzte Locust, dank geschicktem Einsatz aller Soldaten und deren Fähigkeiten trotzdem am Boden, bringt das ein absolutes Hochgefühl mit sich. Gerade die Bosskämpfe sind ein großes Highlight am Ende eines jeden Aktes. Diese verhalten sich wie äußerst brachiale, brutale Puzzles, in der man ganz neue Herangehensweisen herausfinden muss. Diese Begegnungen waren für mich tatsächlich sehr Schweiß treibend, denn bei den Bossmonstern musste ich mehrmals ums absolute Überleben kämpfen.

Nicht nur Leveln, auch Looten

Um eure Überlebenschance zu erhöhen, solltet ihr die optionalen Herausforderungen während einer Mission lösen, die euch stärkere Ausrüstungsgegenstände bescheren. Da gibt es Herausforderungen wie z.B. töte acht Gegner in einem Zug, halte zwei Punkte gleichzeitig über drei Runden hin weg oder laufe in der gesamten Mission in keinen Overwatch-Sichtkegel des Feindes. Durch Ausrüstungsgegenstände verstärken sich Stats wie Schaden, kritische Treffer und Magazingröße. Es gibt aber bei besonders seltenen Gegenstände auch passive Boni. Wenn die Einheit in einem Zug nicht schießt, bekommt sie eine 30% Chance einen AP für nächste Runde zu erhalten.

Abnützung

Das ist gerade zu Beginn noch motivierend, aber ab einem bestimmten Punkt habt ihr so viel Zeugs gehamstert, dass das Ausrüstungssystem dann fast schon obsolet wird. Und das bringt mich auch zum größten Kritikpunkt von Gears Tactics – es ist zu frontloaded und hat hinten raus ein schlechtes Pacing. Im Spiel werdet ihr ständig in neue, angenehm knifflige Situationen reingeworfen und gerade zu Beginn ging mir öfters ein Holy Shit über die Lippen, wie soll ich all diese Locust von der Karte fegen? Irgendwann hat sich dieser Effekt abgenützt und ausgerechnet dann beginnt das Spiel einem die immer gleichen Nebenmissionen entgegen zu werfen.

Warum quälst du mich?

Das geht soweit, dass man in Akt 3 an bestimmten Stellen drei Nebenmissionen hintereinander machen muss. Die heißen zwar Nebenmissionen, sind aber nicht optional und bringen nur neue Ausrüstungsgegenstände und Rekruten mit sich. Ok, die Rekruten sind praktisch, da diese mit einem höheren Level einsteigen, aber ich möchte ohnehin meine Anfangscrew wenn möglich beisammen halten (Stichwort Mandi, Mathias und Stefan). Oft passiert gerade am Anfang eines Aktes etwas Spannendes und dann lange nichts mehr und erst gegen Ende wird das Erzähltempo wieder angezogen. Wie Eingangs erwähnt stört das auch das Storypacing. Es tut sich dann einfach zu wenig. Besonders die aufgezwungenen Nebenmissionen wirken wie eine künstliche Spielstreckung, die es einfach nicht gebraucht hätte. Dann hätte die Kampagne statt 30 bis 40 Stunden, eben nur 20 bist 30 Stunden gedauert. Ich hätte hier ganz klar Qualität vor Quantität bevorzugt. Gerade Mitte des dritten Aktes musste ich mich wirklich dazu zwingen, die immer wieder auftauchenden obligatorischen drei Nebenmissionen abzuspulen.

Gears Tactics Fazit

Was macht ein Gears of War Spiel aus? Eine große Gegnervielfalt und viele Deckungsgefechte sind in Gears Tactics allemal enthalten. Auch die Kettensägenfinisher und die brachialen Kämpfe sind mit an Board, auch wenn diese sich in der Thirdpersonansicht logischerweise noch deutlich wuchtiger anfühlen als bei dieser Draufsicht. Einer der wichtigsten Aspekte ist für mich das aggressive Vorgehen. Man gewinnt keine Gears Schlacht, in dem man hinter der Deckung kauert und das haben die EntwicklerInnen ausgezeichnet gelöst. Die vielen verschiedenen Gegner, wo sogar im letzten Akt noch Neue eingeführt werden, funktionieren sehr gut und stellen mich vor knifflige, dynamische Herausforderungen. Leider geht dem Spiel in der Mitte des letzten Aktes ein wenig die Luft aus. Es lohnt sich aber durchzuhalten, denn das Finale inklusive dem Bosskampf ist wiederum sehr gelungen. Der Preis für 70 Euro für ein PC-Spiel ist ziemlich hoch ausgefallen. Mag sein, dass Microsoft hier den hauseigenen (deutlich günstigeren) Game Pass forcieren möchte, in dem das Spiel ebenfalls enthalten ist. Ob das gut oder schlecht ist, muss jeder für sich selbst entscheiden, weshalb dies auch nicht in die Wertung mit rein spielt. Später in diesem Jahr wird das Spiel auch für die Xbox One noch erscheinen. Im Großen und Ganzen bin ich trotz der kleineren Mängel sehr froh, nach Gears of War 3 wieder ein Gears gespielt zu haben.

Wertung: 8.2 Pixel

für Gears Tactics Test – Deckung und brachiale Kämpfe auch per Rundenstrategie von

 

Hinweis: Das Testmuster wurde uns von Microsoft zur Verfügung gestellt.