Er ist wieder da (Blu-ray) im Test

von Max Hohenwarter 24.04.2016

Er ist wieder da! Ja, ER!!! Jetzt treibt David Wnendts auferstandener Hitler auch auf Blu-ray sein Unwesen! In meinem Review sage ich euch, warum die Romanverfilmung nach Timur Vermes Bestseller ein schockierendes Sozialexperiment ist, das jeder gesehen haben sollte!

Er ist wieder da – Facts:

er ist wieder da packshot

  • Genre: Satire/Mockumentary
  • Studio: Mythos Film
  • Regie: David Wnendt
  • Veröffentlichung: 07. April 2016

Story:

Kürzer und prägnanter, als es der Filmtitel ohnehin schon macht, könnte man Er ist wieder da kaum beschreiben. Hitler (Oliver Masucci – SOKO Köln, Das Blut der Templer), der Schrecken in Person, ist zurück. Warum und wie ist unwichtig! Fakt ist: nachdem sich der Führer 1945 in den Kopf geschossen hat, wacht er ebenso ahnungslos nahe des ehemaligen Führerbunkers in Berlin im Jahr 2014 wieder auf. Mit den Tücken der modernen Welt und ihren Errungenschaften, wie beispielsweise Pfefferspray hadernd findet er vorerst Unterschlupf bei einem Kiosk-Besitzer. Der hilft ihm, wieder auf die Beine zu kommen und glaubt einen talentierten Nachahmer von der Straße aufgelesen zu haben. Bald darauf findet ihn der freischaffende Videojournalist Sawatzki (Fabian Busch – 23, Liegen lernen) und glaubt, im vermeintlichen Hitler-Darsteller den Knüller gefunden zu haben, der seine Karriere rettet! So macht er sich mit dem entfremdeten Monster in Menschengestalt auf, Deutschland im Sturm zu erobern. Doch Hitler wäre nicht er selbst, würde er diese erneute mediale Aufmerksamkeit nicht nutzen, um das Volk erneut zu blenden und zu verführen.

Special-Features:

  • Audiokommentar
  • Making Of (ca. 20 Min.)
  • Interviews (ca. 30 Min.)
  • Entfernte Szenen (ca. 21 Min.)
  • Probedreh (ca. 59 Min.)
  • Erweiterte Szenen (ca. 30 Min.)
  • Teaser und Trailer (ca. 5 Min.)

Kritik:

Regisseur David Wnendt (Kriegerin, Feuchtgebiete) wagt sich mit Er ist wieder da erneut auf das Terrain eines nahezu unverfilmbaren Bestsellers. Doch genau wie schon bei Charlotte Roches Feuchtgebiete ist er dieser Herausforderung nicht nur gewachsen, sondern brilliert mit einer Mischung aus Satire und Mockumentary. Die Reise des Führers durch das Deutschland des Jahres 2014 ist zu einem Gutteil als Fake-Doku gehalten, sprich Masucci wagt sich in voller Montur unter das Volk und klappert dabei von der Imbissbude über einen Hundezüchter bis hin zur Fanmeile der Fußball WM alles ab. Doch von einem Wagnis kann nicht die Rede sein, denn die echten Reaktionen auf den Hitler-“Darsteller” in Er ist wieder da sind vornehmlich positiv und bejahend. Wer denkt, dass eine Manipulation der Deutschen nach den Lehren, die uns der zweite Weltkrieg beigebracht hat, nicht funktioniert, der wird bei der Vielzahl der rechten Arme, die zum deutschen Gruß in die Höhe fliegen, eines besseren belehrt! Doch die Selfies, die das Volk nur zu gerne mit dem Schnauzbartträger knipst sind noch die harmlosesten Reaktionen. Wenn er es auf der Fanmeile innerhalb kürzester Zeit schafft, durchschnittliche Fußballfans derart in fanatische Euphorie zu versetzen, dass sie bereit sind, einen vorbeiziehenden Punk (wohlgemerkt ein Stuntman) am nächsten Baum aufzuknüpfen oder er ganz normalen Leuten mit seiner väterlich-zuhörenden Art ein positives Bekenntnis zu Arbeitslagern abzuringen vermag, dann spricht das Bände über den Zustand unserer Gesellschaft! Die Ausrede von damals, man habe ja nichts gewusst, verkommt so noch mehr zur Farce und man fragt sich, ob wohl eine/r der Beteiligten seinen/ihren Großeltern jemals die passenden Fragen zur vorher erwähnten Alibi-Antwort gestellt hat.

Belastet die Flüchtlingswelle jede/n so sehr, dass es mittlerweile akzeptiert ist, sich wieder zu nationalsozialistischem Gedankengut zu bekennen und die AfD, respektive die FPÖ in Österreich, mit ihrer rassistischen Hetze für wählbar zu halten und auch so das Kreuzchen zu setzen? Hat Deutschland/Österreich mittlerweile erneut komplett den Verstand verloren? Jein. Einige wenige ablehnende Stimmen kommen durchaus im Film vor, aber sie sind weit in der Unterzahl. Auf dieses Verhältnis bei der Filmpremiere im Oktober angesprochen, musste die versammelte Film-Cast eingestehen, dass man zwar gerne mehrere dieser antifaschistischen Stimmen gezeigt hätte, dass das in Er ist wieder da verarbeitete Material aber durchaus dem Ist-Zustand der Reaktionen entspricht! Viele der Kontrastimmen haben nämlich schlichtweg ihre Zustimmung verweigert, im fertigen Film mit ihrer geäußerten Meinung aufzutauchen. Da muss man sich schon fragen, wie es dann sein kann, dass man bereitwillig seine rassistischen Meinungen in die Kamera plärrt und dafür eine Freigabe gibt? Ist das Volk wirklich schon kurz davor, sich erneut verarschen zu lassen? Scheinbar ja! Der Film endet mit einer Montage, die momentane Politiker rechtspopulistischer Parteien in einer Art Who is Who präsentiert und gewaltbereite Neonazis bei ihren Aufmärschen zeigt die dabei lauthals „Wir sind das Volk!“ brüllen. Hitlers abschließende Feststellung „Damit kann man arbeiten“, wirkt damit nur umso zynischer. Wenn der Punkt, an dem einem das Lachen mit Hitler im Halse stecken bleibt bis dahin noch nicht gekommen ist, kommt er gar nicht mehr und man offenbart sich als absolut dämlich. So wie es beispielsweise auch ein Zuschauer bei der Premiere gemacht hat, der mit den Worten „Da sind wir aber schlecht weggekommen in dem Film!“ den Saal verließ.

Er ist wieder da ist eine erschreckende Sozialstudie, die den Status-Quo des leider wieder weitreichend in der Bevölkerung verankerten Geisteszustands auf schockierende Art zur Schau stellt! Wnendt leistet dabei großartige Arbeit, indem er für den/die ZuschauerIn zunehmend die Grenze zwischen realen und fiktionalen Abschnitten verschwimmen lässt, so dass man sich berechtigt und ungläubig fragt, ob das tatsächlich sein kann? Der bis zu seiner Verkörperung Hitlers relativ unbekannte Oliver Masucci, der die meisten seiner Erfolge im Burgtheater feiern konnte, ist neben Bruno Ganz in Der Untergang die wohl güberzeugendste Darstellung des Führers gelungen. In den seltensten Fällen – und auch nur zu Beginn des Filmes – verleiht er der Rolle einen Hauch von Klamauk und lullt damit die Leute ein, wiegt sie in Sicherheit. Ansonsten spielt er einen unglaublich adaptiven Hitler, der kaum in der Moderne angekommen überall die Möglichkeit zur Manipulation und Propaganda sieht und diese auch nutzt. Masucci ist besonders dann zu bewundern, wenn er in Gesprächen mit den Leuten mit ihren schockierenden Bekenntnissen in der Rolle bleibt, widersprechen sie doch seiner politischen Haltung komplett! Eine großartige schauspielerische Leistung!

Er ist wieder da ist ein antifaschistisch-satirisches Meisterwerk, das das Publikum mit seinem lockeren Humor zu Beginn einfängt, nur um es dann kurz vor Ende daran ersticken zu lassen. Ich hatte nach der Premiere ein ordentliches Drücken in der Magengrube und aufgrund der nach wie vor gegebenen politischen Realität auch noch nach dem dritten Durchlauf auf Blu-ray. Dieser Film sollte als Pflichtfilm in allen Schulen gezeigt werden, da er einem – im Gegensatz zu den angestaubten Geschichtsbüchern und traumatisierten Großeltern – tatsächlich die Frage „Wie konnte das damals nur passieren?“ beantwortet! Die umfangreichen Extras der Er ist wieder da Blu-ray vertiefen die Ergebnisse dieses Experiments nur noch und lassen einen noch tiefer in die wirren Denk- und Handlungsweisen mancher Menschen eintauchen!

***Anmerkung: Die getätigten Aussagen und Meinungen spiegeln lediglich die des Autors, nicht aber die gesammelte Redaktionsmeinung wieder***

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